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025 - Die Spinne

025 - Die Spinne

Titel: 025 - Die Spinne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maurice Limat
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zurückkam.
    Gleich fing er an, ein paar kleinere Pakete auszupacken, die er im Auto mitgebracht hatte.
    Zuerst machte er eine Flasche Scotch auf, füllte ein Glas, hob es in Richtung der Lasiodora und rief mit fiebrigem Blick:
    „Cheerio, Elna! Auf unsere Liebe.“
    Mit einem Zug hatte er das Glas geleert. Eine merkwürdige Wärme pulste durch seinen Körper. Nun packte er die übrigen Pakete aus.
    Ein Plattenspieler und Platten kamen zum Vorschein. Er schloss den Apparat an und legte eine der schwarzen Scheiben auf. Durch das leere Haus, in dem von Ferne das Brausen des Meeres zu vernehmen war, erklang nun die Zweite Rhapsodie von Liszt.
    Halbnackt, wie er war, ging Jose zum Käfig und öffnete ihn mit einem Fingerdruck.
    Dann warf er sich aufs Bett und zündete eine Zigarette an.
    Ganz dem Genuss der Musik hingegeben, sog Jose an seiner Zigarette und wartete. Ein paar Augenblicke vergingen.
    Dann tauchten am oberen Käfigrand zuerst die grässlichen Krallen auf.
    Ein paar Sekunden schien das Tier zu zögern, dann glomm es über den Rand und glitt über die Tischplatte. Dort hielt es noch einmal an, bevor es seinen enormen, behaarten Körper erneut in Bewegung setzte. Am Rand des Tisches angekommen, schien es erst die Tiefe ausloten zu wollen. Dann warf es sich mit einem plötzlichen Ruck hinunter.
    Jose erschauerte, rührte sich aber nicht. Er wusste, was kommen musste.
    Die Vogelspinne machte sich zielbewusst auf den Weg zum Bett hin. Vor dem Plattenspieler verharrte sie, so als ob auch sie von der herrlichen Musik berauscht wäre. Dann kroch sie weiter.
    Jose hatte die Augen geschlossen. Mit erschreckender Klarsichtigkeit verfolgte er ihren Weg.
    Er wusste, dass die Spinne nun an der etwas herunterhängenden Bettdecke empor klomm, den Bettrand erreichte und nun auf dem Leintuch weitermarschierte.
    Auf ihn zu.
    Er schickte ein paar Rauchwolken zur Decke, dehnte sich und schauderte vor Lust.
    Die Spinne kroch neben seinem nackten Arm hoch, kam langsam auf seinen Hals, sein Gesicht zu.
    Elna. Elna!
    Ein wenig später erstarb die Musik, die Platte war zu Ende.
    Die letzten Noten der Ungarischen Rhapsodie vermischten sich mit dem Rauschen des Meeres.
     

     

Ein leichter Nebel hing über dem Meer. Es war am Vormittag, die Ebbe hatte ihren tiefsten Stand erreicht.
    So konnten die Kinder ungehindert und ungefährdet auf dem unendlich weiten Strand herumtollen.
    Sie hatten an diesem Tag schulfrei und Sand und Felsen ganz für sich allein, denn bei Herbstbeginn waren die zahlreichen Urlauber wieder nach Hause gefahren. Voller Freude rannten sie hin und her. auf der Suche nach Muscheln und Krabben, spielten endlos Räuber und Gendarm oder imitierten die Western-Helden aus dem Fernsehen.
    Klaus und Marcel hielten sich ein wenig abseits. Seit einigen Tagen waren den Kindern eigentümliche Dinge aufgefallen. Bis jetzt hatten sie noch nicht mit ihren Eltern darüber gesprochen, obwohl zum Beispiel Mutter Calu ganz offen die Lausbuben aus dem Dorf für das Verschwinden ihrer Katze verantwortlich machte.
    Die Väter, in der Mehrzahl Fischer, hatten mit den Schultern gezuckt. Ihre Frauen dagegen teilten den Kummer der alten Frau, die ganz allein lebte.
    Klaus blieb auf einem Felsvorsprung stehen. Eine Zeitlang hüpfte er auf einem Bein, was bei ihm intensives Nachdenken bedeutete.
    Der um ein Jahr jüngere Marcel kratzte sich hinterm Ohr und wartete gespannt. Es war ihm klar, dass sein Freund gleich zu einer wichtigen Eröffnung ansetzen würde.
    „Hör zu“, sagte Klaus.
    „Ja, was gibt’s?“
    Erst folgte ein Schweigen. Obwohl sie am Strand waren und ihre Freunde einige hundert Meter von ihnen entfernt herumtobten, hatten die beiden Jungen instinktiv die Stimme gesenkt, als ob es um ein Staatsgeheimnis ginge. Insgeheim wussten sie, um was es ging.
    „Weißt du, die Katze von Mutter Calu.“
    „Ja, sie ist verschwunden.“
    „Wie die Vögel der Krämerin.“
    „Die sind davongeflogen.“
    „Das sagt man. Aber keiner hat es gesehen. Der Käfig war zu.“
    Marcel staunte. Er wusste, dass Klaus mit seinen dreizehn Jahren ein eifriger Leser von Kriminalromanen war und auch am Radio oder Fernsehen keine Sendung dieser Art ausließ.
    „Hast du einen Verdacht?“
    Um seinen Worten mehr Gewicht zu verleihen, schwieg Klaus ein zweites Mal.
    Dann stellte er sachlich fest: „Da fliegen Vögel aus dem geschlossenen Käfig davon, eine Katze, die sich nicht von zu Hause wegtraut, ist plötzlich verschwunden. Und es gibt noch

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