025 - Die Todesmasken des Dr. Faustus
solch hochbegnadete Künstler wie Euch meine Gäste nennen zu dürfen.«
»Seid willkommen an unserem Tisch!« rief der Prinzipal erfreut. »Die Ehre ist ganz auf unserer Seite.«
»Wirt, was von jetzt an getrunken wird, geht auf meine Rechnung!« rief Speyer.
»Oh, wie spendabel!« meinte der Gnom kichernd.
Speyer nannte den Komödianten seinen Namen und erfuhr, was er schon wußte, daß der Prinzipal Cherves Apillion hieß. Der Name des Zwerges war Odrigue, und der Dieb des Goldenen Drudenfußes hieß Walther von der Spiend. Er machte auf Speyer sofort den Eindruck eines rücksichtslosen und brutalen Mannes, der vom Raufen sicherlich mehr als von der Schauspielkunst verstand – und ebenso vom Trinken.
Da Speyer sie freihielt, entwickelten die drei einen solchen Durst, daß der Mohrenwirt kaum nachkam, die Krüge vollzuschenken. Nur Speyer hielt sich zurück. Er wollte einen klaren Kopf behalten, um aus dem Dieb, wenn dieser trunken war, herauszuprügeln, wo er den Goldenen Drudenfuß versteckt hatte.
Als Speyer Gelegenheit fand, das Wort zu ergreifen, erklärte er, daß er die Schauspielkunst nicht nur bewundere, sondern auch selbst beherrsche. Er traue sich zu, jede Rolle zu spielen, und beherrsche sogar einige Instrumente leidlich gut. O ja, er fühle sich dazu berufen, einmal ein großer Schauspieler zu werden. Um ein Komödiant zu werden, habe er sogar auf das Studium der Medizin verzichtet. Er hatte nicht einmal die Prüfungen abgelegt, um Bakkalaureus zu werden – dabei hätte er es sicherlich zum Magister und wohl auch zum Doktor gebracht. Doch seine einzige Liebe gehöre der Bühne, deren Bretter die Welt bedeuteten.
»Das habt Ihr schön gesagt, Scholar Speyer«, lobte Cherves Apillion. »Bretter, die die Welt bedeuten! Diesen Ausspruch sollte man sich merken. Aber um sich auf diesen Brettern zu behaupten, erfordert es mehr als nur eisernen Willen und die Freude am Spiel. Man braucht Talent.«
»Davon habe ich im Überfluß«, behauptete Speyer. Er ergriff impulsiv die Hand des Komödianten und bat inständig: »Bitte, Prinzipal, gebt mir Gelegenheit, Euch mein Talent zu beweisen!«
Der Prinzipal rülpste. »Ich soll Euch in meiner Truppe aufnehmen? Aber, junger Mann, wie stellt Ihr Euch das vor? Talent hin, Talent her, es gibt Wichtigeres als dieses. Vom Talent wird man nicht satt. Und ich kann keinen etliche Jahre nur wegen seiner Liebe zur Schauspielkunst durchfüttern, ohne zu wissen, ob sich das Geld irgendwann verzinst, das ich in ihn gesteckt habe. Was ist das Wichtigste, wenn Ihr in die Lehre gehen wollt? Ihr müßt dafür bezahlen …«
»Aber das könnte ich doch auch bei Euch, oder?« warf Speyer ein.
Die Augen des Prinzipal wurden groß und gierig. »Ihr wollt Euch bei uns einkaufen? Ist das Euer Ernst?«
»Ich würde nichts lieber tun«, versicherte Speyer. Das war nicht einmal gelogen. Natürlich tat er es nicht der Schauspielerei wegen, sondern um an den Goldenen Drudenfuß heranzukommen. Er gestand dem Prinzipal, daß er beachtliche Ersparnisse besäße, die er nur zu gern für eine gediegene Ausbildung als Schauspieler investieren wolle.
»Das ist klug. Ihr könnt Euer Geld nicht besser anlegen als bei mir. Wann wollt Ihr beginnen?«
»Wenn es Euch recht ist, gleich morgen. Ich hatte ohnehin nicht vor, länger als eine Nacht in diesem Haus zu bleiben.«
Der Prinzipal stand schwankend auf und hob seinen Krug. »Walther! Odrigue! Hiermit habt ihr einen neuen Kollegen, Freund und Bruder. Darauf trinken wir. Willkommen in unserer Familie! Vielleicht – vielleicht könnt Ihr schon in meinem neuen Stück eine Rolle übernehmen.« Er setzte den Krug an die Lippen, doch bevor er noch einen Schluck getrunken hatte, wanderten seine Augen zur Treppe. Die anderen folgten seinem Blick.
Dort war eine Gestalt aufgetaucht. Sie war ganz in Weiß gekleidet, ein Weiß, das von keinem Stäubchen verunreinigt war. Selbst das Gesicht war weiß gepudert, und sie trug eine weiße Perücke mit Pagenschnitt. Auf dem Kopf hatte der Fremde ein Barett aus weißem Pelz mit einer neckischen Feder auf der Seite. Dieses Barett war nach spanischer Mode geschnitten, die übrige Kleidung entsprach der Tracht der Burgunder: das kurze Wams, im unteren Abschluß pelzverbrämt, mit silbernen Stickereien vorn, eine enganliegende gefütterte Strumpfhose und leicht nach oben gebogene Schnabelschuhe.
Ja, als er so dastand, reglos wie gemalt, glich er der Erscheinung eines Engels. Auch das Gesicht war so schön
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