0250 - Pandoras Botschaft
Eigentlich wollte ich nicht ins Kloster kommen, sondern in Billings einen Fall lösen.«
»Das mußt du mir erklären.«
Ich tat es, und wir zogen beide die gleichen Schlüsse. Diese seltsame Krankheit, die die Menschen von Billings befallen hatte, konnte unter Umständen mit der Vision des Paters zusammenhängen.
»Dann mußt du unbedingt nach Billings fahren«, sagte Ignatius, doch ich schüttelte den Kopf.
»Das brauche ich nicht. Mein Freund Suko schaut sich dort um. Jetzt bin ich froh, ihn mitgenommen zu haben.«
Ignatius lächelte. »Demnach stehen wir beide nicht allein auf weiter Flur?«
»So ungefähr.«
»Pandora macht mir Sorgen, John. Ich bin überzeugt davon, daß sie es ist.«
»Eine Sagengestalt?«
Er lachte. »Daran denke ich auch immer. Trotzdem nehme ich meine Vision sehr ernst.«
»Wobei ich mich frage, welch einen Grund sie gehabt hat, aus irgendeinem Zwischenreich zu erscheinen.«
»Muß sie das?«
»Wenn es nicht so wäre, widerspräche dies allen Erfahrungen, die ich im Laufe der Zeit gesammelt habe. Wenn sie tatsächlich aufgetaucht ist, hat das etwas zu bedeuten.«
»Ich schließe mich deiner Meinung an, John.« Über den Innenhof des Klosters schwang ein dünnes Bimmeln. Es war eine Glocke, die da läutete, doch ihr Klang war nicht dazu angetan, Menschen froh zu machen - im Gegenteil.
Der Pater stand auf. »Die Totenglocke«, sagte er mit leiser Stimme. »Sie ruft uns zur Beerdigung. Kommst du mit?«
»Ja.« Ich erhob mich ebenfalls.
Wir verließen die Schmiede, betraten den Hof, und das Läuten hörte ich nun lauter. Mir rann eine Gänsehaut über den Rücken, während mir ein steifer Wind ins Gesicht fuhr. Die Mönche versammelten sich. Sie gingen gebeugt, stemmten sich gegen den Wind an, der an ihren Kutten zerrte und den Stoff knattern ließ. Am Himmel türmten sich Wolken. Wir hatten zwar späten Vormittag, aber richtig hell wollte es nicht werden. Alles in allem eine schaurige Kulisse für eine Beerdigung.
Ignatius und ich gesellten uns zu den anderen, um den Weg zum Friedhof zu gehen…
***
Lady X schien auf der Stelle festgewachsen zu sein. Sie schüttelte ein paarmal den Kopf, fluchte dann wütend, zischte wie eine Schlange und knurrte auch. Trotzdem erreichte sie nichts. Der Würfel gehorchte ihr nicht. Er dachte nicht daran, sich dem Willen der Blutsaugerin unterzuordnen.
Langsam ließ Lady X die Arme sinken und schaute nach rechts, wo sich Xorron aufhielt.
Das Monster rührte sich nicht. Es stellte auch keine Fragen.
Deshalb sprach Lady X.
»Er reagiert nicht mehr«, flüsterte sie.
»Wieso?«
»Verflucht, das weiß ich eben nicht. Ich habe keine Ahnung, was mit dem Würfel geschehen ist. Vielleicht hat ihn auch jemand manipuliert. Wer weiß?«
»Du hast ihn doch nicht aus der Hand gegeben.«
»Genau, das ist es ja, was mich so fertigmacht. Ich kann mir keinen Grund für dieses Verhalten des Würfels vorstellen.«
»Hast du nicht vorhin etwas gespürt?« fragte Xorron.
Lady X zog die Augenbrauen zusammen. »Ja«, klang ihre gedehnte Antwort, »das stimmt.«
»Was war es denn?«
»Ich kann es nicht sagen, nicht in Worte fassen. Es war irgendwie anders.«
»Und wie?«
»Keine direkte Gegenmagie«, erklärte die Vampirin. »Das auf keinen Fall. Nein, nein…« Sie ging einen Schritt vor, um danach stehenzubleiben wie ein witterndes Raubtier. Einen Erfolg erreichte sie nicht. Aber ihr fiel die Stille auf. Zwar hatte der Wind nicht abgenommen, doch von den üblichen sie umgebenden Geräuschen war nichts mehr zu hören. Sie kam sich vor wie auf einer Insel, die irgendwo im Niemandsland lag.
»Warte hier auf mich«, ordnete sie an und war Sekunden später verschwunden.
Xorron blieb zurück. Er tat immer, was man ihm sagte. So war es auch an diesem Tag.
Sie hatten sich zwischen Bäumen verborgen gehalten. Nicht nur Tannen und Fichten wuchsen auf dem kargen Boden, sondern auch verkrüppelte Laubbäume, die man allerdings mehr als Sträucher oder Unterholz bezeichnen konnte. Normal konnte Lady X nicht laufen. Sie mußte schon schräg gehen, damit sie auf dem Boden nicht rutschte. Hin und wieder stützte sie sich auch an den Baumstämmen ab, und als sie eine kleine Lichtung auf dem Hang erreichte, blieb sie stehen. Ihr Blick fiel hinunter ins Tal. Sie sah ein schmales Band. Es war ein Weg, keine Straße, und er führte irgendwann aus den Bergen heraus, wo er in eine asphaltierte Straße mündete, die die verstreut liegende Orte miteinander verband. Lady X
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