0254 - Die Geistersonne
als dächte er angestrengt nach. Dann erwiderte er bedächtig: „Sie wird annehmen, Sie hätten mich in meiner Arbeit behindert und dadurch eine Rettung des Chefs unmöglich gemacht, Kasom ..."
Mit einem Satz sprang der Ertruser zur Seite.
„Was denken Sie von mir? Ich halte Sie doch nicht auf, Sir. Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein?"
Marshall nickte.
„Rufen Sie bitte Ras Tschubai, Andre Noir, Wuriu Sengu und die Woolver-Zwillinge in die Zentrale. Sie sollen am Kartentisch auf mich warten. Ich muß nur noch einige Berechnungen durchführen."
Melbar Kasom knallte die Hacken zusammen, riß seinen mächtigen Körper herum und verschwand mit der Vehemenz eines gereizten Nashornbullen im Liftschacht.
Mit einem leichten Lächeln auf den Lippen betrat der Telepath das Innere der Schiffspositronik. Er war schon oft hier gewesen, dennoch konnte er sich nie der Faszination entziehen, die der gewaltige Komplex einer intelligenten Maschine auf ihn ausübte. In der viele Stockwerke hohen Konstruktion befanden sich zahlreiche Liftschächte, Gänge und Schalträume. Überall starrten die konvexen Linsen der Beobachtungsgeräte auf den Besucher, maßen Gehirnwellendetektoren die Ströme seines Gehirns. Ein Unbefugter wäre von verborgenen Schockwaffen augenblicklich gelähmt worden. Anschließend hätte die Sicherheitsautomatik des Gehirns Alarm gegeben. Die Erbauer waren sehr besorgt um die Sicherheit dieser wichtigen Maschine gewesen.
John Marshall brauchte nichts zu befürchten. Er gehörte zu den wenigen ausgesuchten Leuten, die unbeschränkte Besuchserlaubnis für die Bordpositronik besaßen.
Der Telepath suchte die erstbeste freie Kabine auf und ließ sich mit dem Chefmathematiker verbinden. Über Visiphon trug er seinen Wunsch vor. Ein anderer hätte warten müssen, die Kapazität des Gehirns war voll ausgelastet wie fast immer.
Marshalls Ausnahmestellung als Sonderoffizier des Imperiums - jeder Mutant war Sonderoffizier, aber Marshall war außerdem Chef des Mutantenkorps - und seine derzeitige Funktion als Kommandeur der Andromeda-Expedition wirkten wie ein Zauberwort. Innerhalb weniger Sekunden leuchtete eine grüne Lampe über seinem Programmierungspult auf. Der Chefmathematiker hatte ihm einen genau bemessenen Kapazitätsblock des Gehirns zur Verfügung gestellt.
Er brauchte nur zwei Minuten für seine Berechnungen. Wie jeder führende Mann des Solaren Imperiums verfügte er über den Vorteil einer besonders umfangreichen Hypnoschulung. Dazu kamen seine reichen Erfahrungen, die er als relativ Unsterblicher im Laufe von über vier Jahrhunderten hatte sammeln können. Das, was Cart Rudo außer Fassung brachte, war für Marshall nichts prinzipiell Neues. Bei der Suche nach dem Ewigen von Wanderer waren ähnliche Dinge geschehen, und der Telepath hatte nichts davon vergessen.
Mit fröhlichem, beinahe jungenhaftem Lächeln schob er die Antwortfolien in die Brusttasche seiner Kombination, meldete seinen Kapazitätsblock frei und verließ die Positronik wieder.
Am Kartentisch warteten bereits Kasom, Tschubai, Noir, Sengu und die Woolver-Zwillinge auf ihn - bis auf Kasom und die Woolvers waren sie ebenfalls Zellaktivatorträger.
John Marshall ließ sich auf dem freien Platz zwischen ihnen nieder und nickte den Gefährten zu. Dann schaltete er den Interkom zum Schiffskommandanten ein.
„Nun, Oberst ...?" fragte er betont lässig.
Cart Rudo explodierte fast. Krachende Geräusche drangen aus dem Lautsprecher. Marshall drosselte den Empfang und bat um Wiederholung.
„Keine Kursabweichung, Sir!" schrie der Epsaler aufgeregt.
„Aha!" machte Marshall. „Was schließen Sie daraus?"
„Wenn ich das sage, halten Sie mich für verrückt, Sir", sagte Rudo kleinlaut.
„Das glaube ich kaum. Ich kann mir nämlich denken, was Sie vermuten. Übrigens kann sich das schon ein Schuljunge an den zehn Fingern abzählen. Also ...!"
Cart Rudo holte tief Luft.
„Also schön, Sir: Die blauweiße Sonne besitzt keine Masse! Und nun lachen Sie mich aus, wenn Ihnen danach zumute ist."
„Ganz im Gegenteil", erwiderte Marshall sanft. „Ich habe hier übrigens einige Berechnungen vorliegen, die ich soeben in der Positronik durchführte. Wollen Sie das Ergebnis hören?"
„Ich bin heute auf alles gefaßt, Sir."
Der Telepath lachte voller Sarkasmus.
„Halten Sie sich trotzdem fest. Die Positronik antwortete auf eine entsprechende Frage: ‚Vergleicht man die Anzeigen von Meßinstrumenten mit den tatsächlichen
Weitere Kostenlose Bücher