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0255 - Die Gefangene der Teufelsinsel

0255 - Die Gefangene der Teufelsinsel

Titel: 0255 - Die Gefangene der Teufelsinsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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sonst ein starker Gegner erschienen, der nur ans Töten denkt? Lady X war so ein Gegner, und sie hat es geschafft, die Vampir-Drillinge zu vernichten. Auch den dritten hat sie getötet. Ich habe es nicht gesehen, aber ich fühle es in mir. Es ist ein schlimmes Gefühl, und ich mache mir den Vorwurf.« Sie schlug mit beiden Händen gegen ihre Brust und senkte den Kopf.
    Die anderen standen still. Es schien so, als trauten sich die Menschen nicht einmal zu atmen. Sie waren ruhig, denn sie wußten, daß Azucena ihre Rede noch nicht beendet hatte.
    »Ein Pfand haben wir auf der Insel zurücklassen müssen«, fuhr sie mit schwacher Stimme fort. »Ein menschliches Pfand. Tassilos Schwester, die schöne Marita. Sie befindet sich auf Sedonis, und wir sind nicht in der Lage, sie zu befreien. Aber ich will sie lebend, denn sie soll nicht auch noch ein Opfer werden, und aus diesem Grunde möchte ich euch bitten, mir zuzustimmen, wenn die Fremden zurückkommen. Denn ihnen, so glaube ich, können wir vertrauen. Myxin ist bei ihnen. Das beweist, daß er nicht mehr der alte ist wie vor 10.000 Jahren. Er hat sich gewandelt, und er bekämpft die Mächte, zu denen er früher einmal gehört hat. Deshalb bitte ich euch alle: Gebt ihnen Schutz. Vertraut ihnen, denn wenn es jemand schafft, unsere Schwester wieder zurückzuholen, dann sie. Ich bitte euch…«
    Nach diesen Worten drang ein fast schluchzender Atemzug über die Lippen der alten Zigeunerin, und sie verneigte sich dabei in die vier Richtungen, wo ihre Sippe stand.
    Die Menschen sprachen nicht. Schweigend standen sie nach wie vor da.
    Die Gesichter regungslos, die Lippen aufeinandergepreßt und die dunklen Augen wegen der tanzenden Flammen fast geschlossen.
    »Und nun laßt uns fortfahren«, sagte die alte Azucena mit entschlossen klingender Stimme. »Wie es die Tradition verlangt. Ecco, komm bitte her!«
    Darauf hatte der Mann gewartet. Er hatte sich schon so hingestellt, daß er nur zwei Schritte zu gehen brauchte, um den Kreis zu durchbrechen.
    Wie ein Soldat blieb er vor Azucena stehen. Dabei hatte er seine Arme ausgestreckt und hielt auf seinen offenen Handflächen der Alten etwas entgegen.
    Es war ein silbernes Gefäß. Unten besaß es die Form einer Kugel. Nach oben hin verjüngte es sich, so daß es aussah wie ein pyramidenförmiger Flaschenhals. An beiden Seiten wies es kleine Löcher auf, und als die alte Azucena das Gefäß entgegennahm, da verneigte sie sich vor Ecco.
    »Wir werden dich der Erde zurückgeben, aus der du gekommen bist«, sagte sie, der Leiche zugewandt. »Und du wirst gesegnet mit den alten Gaben und Zeremonien, die uns die seligen Vorfahren übermittelt haben. Geh nicht ungeschützt auf deine lange Reise, Tassilo, nimm den Segen des Weihwassers mit.«
    Nach diesen sorgsam gesprochenen Worten ließ die alte Zigeunerin Ecco stehen und trat bis dicht an die Bahre, auf der die leblose Gestalt lag und mit Nelkenblüten bedeckt war.
    Es war längst dämmrig geworden. Die Dunkelheit brachte eine noch härtete Kälte mit. Der Wind schlief dafür ein, aber der harte Frost blieb, und er fraß sich allmählich in die Körper der Menschen, die sich nicht bewegten und nur steif auf dem Fleck standen, um ihrem Toten die Ehre zu erweisen.
    Die alte Azucena hielt das Gefäß in der Hand. Als sie es bewegte, hörte sie das Schwappen. Ein Beweis dafür, daß sich am Boden des Gefäßes eine Flüssigkeit befand.
    Die Zigeunerin streckte den Arm aus. Ihr Mund blieb verkniffen. Sie wußte genau, was sie als Anführerin und Älteste in der Sippe diesem jungen Toten schuldig war.
    Das Wasser spritzte sie mit kreuzförmigen Bewegungen über die Leiche.
    Alle vier Himmelsrichtungen rief sie an und auch die vier Grundelemente.
    »Das Feuer soll dich nicht fressen! Das Wasser soll dich nicht ertränken. Die Luft soll dich nicht ersticken, und die Erde soll deine Seele nicht zerstören!«
    Ein altes Gebet, das die Stämme bei Leichenfeiern immer beteten.
    Azucena hatte es nicht vergessen.
    Und sie bewegte ihr Gefäß so, daß das geweihte Wasser aus den Öffnungen spritzen konnte.
    Es waren glitzernde Tropfen, die in einem wahren Regen über die Leiche fielen und nasse Flecken auf dem Hemd des Toten hinterließen.
    Im nächsten Augenblick stockte den Menschen der Atem. Etwas Ungewöhnliches und Unheimliches geschah.
    Die Leiche schrie!
    Der Mund war nicht ganz geschlossen, und während sich der Körper aufbäumte, drang über die Lippen ein schriller, mörderischer Schrei, der

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