Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0257 - Ein Grabstein ist kein Kugelfang

0257 - Ein Grabstein ist kein Kugelfang

Titel: 0257 - Ein Grabstein ist kein Kugelfang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ein Grabstein ist kein Kugelfang
Vom Netzwerk:
Hand auf die Schulter legte, stellte ich fest, daß Sie einen Revolver in der Halfter unter der Achsel tragen. Ich nehme an, Sie haben meinen Vortrag aus beruflichen Gründen besucht, sind also auch zum Tragen einer Waffe berechtigt und verfügen über einen Waffenschein.«
    Ich nickte und grinste freundlich. Jetzt waren mindestens 200 Augenpaare auf uns gerichtet, und ich hoffte, daß kein Bekannter darunter war, der mein vorläufiges Inkognito lüftete.
    »Jetzt, Mr. Cotton, werden wir einen kleinen Überfall mimen. Sie sind der Gangster, ich bin der Überfallene. Sie treten plötzlich vor mich hin und fordern meine Brieftasche. Noch halten Sie Ihren Revolver nicht in der Hand. Dann reißen Sie — da ich mich weigere — möglichst schnell Ihre Waffe aus der Schulterhalfter. Und… Bitte, meine Herren, jetzt kommt der springende Punkt — dann werde ich Ihnen beweisen, wie vorteilhaft es in einer solchen Situation ist, wenn man überall eine Waffe griffbereit hat. Auch ich werde meine Waffe ziehen. Noch weiß ich nicht, welche. Das kommt ganz darauf an, wie Mr. Cotton vor mir steht. Ich werde meine Gegenwehr natürlich so einrichten, wie es für mich am bequemsten und zweckmäßigsten ist. Ich gebe Mr. Cotton eine volle Sekunde Vorsprung, dann angle ich nach meiner Waffe — und, meine Herren —, Sie werden sehen, daß ich meine Waffe schneller gezogen und in Anschlag gebracht habe als Mr. Cotton.«
    »Ich nehme an, wir lassen es bei dem Ziehen«, sagte ich. »Oder haben Sie die Absicht, auf mich zu schießen?«
    Ich erntete herzliches Gelächter mit diesem mageren Witz. Dann stellte ich mich an dem einen Ende der Bühne auf und war fest entschlossen, Mr. Kysella den Spaß zu verderben. Als G-man ist man zum Glück darauf gedrillt, den Revolver schneller hervorzubekommen als ein Nightclub-Portier das gehamsterte Trinkgeld in der Tasche verschwinden läßt.
    Unser Spiel begann.
    Ich zog ein möglichst grimmiges Gesicht, was das Publikum sehr erheiterte. Ich deutete eine Kniebeuge an, was soviel bedeuten sollte wie: Jetzt springe ich aus meiner Deckung hervor.
    Einen knappen Schritt vor dem dicken Selbstschützer baute ich mich auf.
    »Ihre Brieftasche!« Ich befleißigte mich ziemlicher Lautstärke.
    Auf die Sekunde Vorsprung, die Kysella mir einräumte, wollte ich verzichten. Also mußte ich ihn zum Handeln drängen, indem ich mit der Linken nach ihm griff. Ich hatte richtig vermutet. Die rechte Hand des Dicken verschwand gedankenschnell im Ausschnitt seines Tweedjacketts, das er im Verlaufe des Vortrages wieder angezogen hatte.
    Ich war noch schneller. Mit einer tausendfach geübten Bewegung bewegte sich mein Arm. Ich beugte mich leicht vor, schob die linke Schulter etwas nach vorn. Dadurch entstand zwischen meiner linken Brustseite und dem Aufschlag meines Jacketts ein Spalt, der meine Rechte unbehindert durchgleiten ließ. Mit leicht gekrümmten Fingern griff ich den Kolben meines Smith and Wesson 38er Special, und zwei Zehntelsekunden später starrte Mr. Nick Morris Kysella in die Mündung meiner Waffe.
    Ich hatte den Dicken um mehr als eine halbe Sekunde geschlagen.
    Aber noch bevor einer von uns ein Wort sagen konnte, geschah es.
    Ein Schuß peitschte auf.
    Ich sah, wie Kysellas Augen noch größer wurden. Seine Linke tastete zur Schulter.
    Der Selbstschützer stolperte einen Schritt vorwärts, drehte sich halb um die eigene Achse und fiel dann zu Boden, noch ehe ich seinen schweren Körper auffangen konnte.
    ***
    »Im ersten Augenblick sah es viel schlimmer aus«, sagte Phil und blickte zu Mr. High, der hinter seinem Schreibtisch saß und die Spitzen seiner schmalen Künstlerfinger gegeneinanderlegte — eine charakteristische Bewegung unseres Chefs, die wir immer dann an ihm beobachten konnten, wenn er scharf nachdachte. »Als ich den Schuß hörte und den Dicken Umfallen sah, war ich sofort auf den Beinen. Ich lief zur Tür, wo der heimtückische Schütze gestanden haben mußte. Dummerweise sprang ein aufgeregter Bankbote genau in der Sekunde auf, als ich an ihm vorüber wollte. Es hätte nicht viel gefehlt, und wir wären beide gestürzt. Jerry konnte sich leider an der Verfolgung nicht beteiligen, da man ihn anfangs für den Schutzen hielt.«
    »Was glauben Sie, Phil? Galt die Kugel Jerry? Oder wollte der unbekannte Schütze den Vortragenden treffen?«
    »Ich bin sicher, daß man Kysella erledigen wollte, Chef. Der Raum bei Chapirelli mißt kaum 20 Yard. Weder Jerry noch Kysella, die im Vordergrund

Weitere Kostenlose Bücher