0257 - Ein Grabstein ist kein Kugelfang
mißhandelt hatte.
Bob Quentin war Zeuge gewesen, daß Kysella nicht in der Konservenfabrik gewesen war. In der Nacht, da wir Kysella schnappten, hatte er sich schon frühzeitig in sein Versteck begeben. Er war jedoch nicht so vorsichtig, dort zu verharren, bis wir wieder abgezogen waren. Er fürchtete, daß wir bei einer Durchsuchung der Konservenfabrik sein Versteck finden würden — wahrscheinlich hatte er recht damit. Also verließ er das Kellerloch und unternahm den Versuch, uns umzubringen.
Im Kreuzverhör brach Kysella zusammen und gestand alles: Sein Zusammenstoß mit dem Neger Makulis war schlaue Berechnung gewesen. Er wollte uns um jeden Preis täuschen, den Verdacht von sich lenken, da er glaubte, daß wir einen Argwohn gegen ihn hegten.
Kysella war in Bills Dancing Hall erschienen, da er fest damit rechnete, daß wir ihn beschatten ließen. Er hatte sich dort so verhalten, als habe ihm jemand den Tip über Makulis zugesteckt, was in Wirklichkeit nicht der Fall gewesen war; denn Kysella wußte ja als der Boß der Gang am besten, wo seine Leute zu erreichen waren. Ursprünglich war es Kysellas Absicht gewesen Makulis nur der Form halber auszupressen, ohne ihn zu mißhandeln. Als sich aber der Neger zur Wehr setzte, kam es zu den bösen Verletzungen, die Kysella dem Farbigen zufügte.
An dieser Stelle beging Kysella den entscheidenden Fehler. Er vergaß, daß Makulis für ihn und seine Gang jetzt eine drohende Gefahr darstellte. Kysella hätte damit rechnen müssen, daß wir Makulis verhörten. Er hätte wissen müssen, daß wir über Makulis von dem mitternächtlichen Treffen der Mafia in der alten Konservenfabrik erfahren mußten. In der betreffenen Nacht hatte Kysella daran offensichtlich nicht gedacht. Erst am nächsten Morgen müssen ihm Bedenken gekommen sein, woraufhin er sich aus dem Staube machte — kurz bevor wir sein Apartment in Sullivans Hotel betraten. In dem vermauerten Loch hinter dem Eisschrank hatten sich 30 Pfund Heroin befunden, -die Kysella seinem Rivalen Bingham abgenommen hatte.
Daß Kysella nach seinem Verschwinden aus Sullivans Hotel dennoch wieder sein Versteck in der alten Konservenfabrik aufsuchte, grenzte an Tollkühnheit. Wie wir bei dem Verhör erfuhren, hatte Kysella nicht geglaubt, daß Makulis von der Konservenfabrik gesprochen habe.
Kysellas letzter Plan vor unserem Eingreifen war gewesen, Papesca zu schröpfen und zu erpressen.
Als die Gang den Anschlag auf Kysella in Chapirellis Grillroom verübte, hatte tatsächlich niemand der Mafiagangster gewußt, daß sie ihrem eigenen Boß eins auswischten. Daher auch die Strafpredigt des Bosses in der folgenden Nacht.
Das Heroin fanden wir in dem Gewölbe, in dem sich das Tonbandgerät befand. Wir fanden noch etwas, nämlich zwei gefesselte und mit Chloroform betäubte Frauen, die in Papescas Pontiac auf den Rücksitzen saßen: Laura und Caroline Haitch.
Der Pontiac war während der mitternächtlichen Befehlsübernahme an der Hester Street abgestellt worden.
Als Papesca verhört wurde, erfuhren wir, wo die achte Schlange geblieben war.
Wir ließen sofort in dem Heizungskeller des Melrose House suchen. Die Schlange wurde gefunden. Sie war schon viele Stunden tot und hatte keinen Schaden angerichtet.
***
Wochen später fanden die Prozesse statt.
Papesca wanderte auf den elektrischen Stuhl. Kysella, dessen Anklageschrift den Umfang eines mittleren Warenhauskatalogs hatte, wurde ebenfalls zum Tode verurteilt.
Vier Mitglieder der Gang waren gefürchtete Killer, denen man die Verbrechen nachweisen konnte. Auch diese vier waren Todeskandidaten.
Die übrigen Gangster sowie Caroline und Laura Haitch erhielten hohe Zuchthausstrafen.
Als wir davon hörten, daß Kysella zum Tode verurteilt worden war, sagte Phil: »Er hätte seinen Selbstschutz etwas weiter ausbauen sollen, Paragraphenkenntnisse sind manchmal wichtiger als die 30 Pfund waffenscheinpflichtiges Metall, das er an sich herumschleppte.«
»34 Pfund, Phil«, verbesserte ich. »Vergiß nicht, daß die Dinger auch geladen waren.«
ENDE
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