026 - Das Totenhaus der Lady Florence
gehen.«
»Ins Bett?«
»Wir hatten eine Party. Die letzten sind vor zwei Stunden gegangen. Da habe
ich jetzt die Wohnung noch ein bisschen aufgeräumt. Was kann ich für Sie tun,
meine Herren?«
Larry sagte, dass er wegen Winston Yorkshere gekommen sei. »Wir hätten gern
eine Auskunft über ihn. Wenn Sie uns helfen könnten ...«
Sie lächelte noch immer, während sie verspielt einige Haarsträhnen um ihre
schlanken Finger wickelte. »Wenn ich Ihnen helfen kann, dann will ich das gern
tun. Die wenigsten Menschen helfen sich heute untereinander, nicht wahr? Daher
kommt ja das ganze Unglück in unserer Welt. Keiner ist für den anderen da,
jeder kapselt sich vom andern ab. Ich – und meine Freunde – wir denken da ganz
anders.«
Sie wich zur Seite. Larry und Iwan traten ein. Der Geruch von Alkohol,
Rauch und einer schweren, betäubenden Süße schlug ihnen entgegen.
Mady Stilon ging voran. Larry und Iwan konnten die Blicke nicht von dem
fast nackten Mädchenkörper wenden.
Das Hippiemädchen führte sie in das große, ausgeräumte Wohnzimmer. Außer
einer Reihe von Plastiktischen und -stühlen, zahllosen Sitzkissen und einem
dicken, flauschigen Teppich gab es keine weiteren Einrichtungsgegenstände. Im
Flur stand ein alter Gläserschrank, der ursprünglich in dieses Zimmer gehörte.
Aufgrund der Party hatte man dieses störende Stück jedoch hinausgeschafft. An
den schrägen Wänden hingen Pop-Bilder, große, bunte Spiralen, die sich vor den
Augen zu drehen schienen, und die man nicht lange betrachten konnte, ohne das
Gefühl zu haben, einen Koller zu bekommen.
»Sie müssen mit dieser Umgebung vorlieb nehmen. Ich habe das Zimmer leider
in der Zwischenzeit noch nicht wieder so herrichten können, wie es
normalerweise der Fall ist«, erklärte Mady Stilon mit sanfter Stimme. Larry
hatte jedoch den Eindruck, dass dies nicht ganz stimmte. Diese Wohnung war
grundsätzlich nicht anders eingerichtet. Sie war zu jeder Zeit als Partyort
gedacht. Mady Stilon schien öfter einen solchen Treff zu geben.
Iwan Kunaritschew nahm in einer der Plastikschalen Platz, Larry ließ sich
auf eines der grellen, weichen Sitzkissen nieder.
»Was kann ich Ihnen zu trinken anbieten?« Mady Stilon wartete erst gar
keine Antwort ab. Sie klappte eine Tür in der schrägen Wand hinter sich auf,
und der Blick in eine recht umfangreiche Bar wurde frei.
»So früh am Vormittag möchte ich nichts trinken, vielen Dank«, lehnte Larry
ab. Auch Iwan Kunaritschew wollte nichts.
Das war erstaunlich. Larry wusste, dass der Russe zu jeder Tages- und
Nachtzeit einen Whisky vertrug.
Doch die Begegnung mit Mady Stilon schien sein seelisches Gleichgewicht ein
wenig durcheinandergebracht zu haben.
X-RAY-7 studierte die Botanik am Körper der hübschen Mylady, und Larry
lernte bei dieser Gelegenheit einen neuen Iwan Zug an Kunaritschew kennen. Bis
zur Stunde hatte er nicht gewusst, dass der Russe ein derartiger
Blumenliebhaber war.
Mady Stilon störte sich nicht daran, dass ihre Gäste nichts trinken
wollten. Sie mixte sich einen Cocktail, dessen Ingredienzien Larry ewig ein
Rätsel bleiben würden. Mit übereinandergeschlagenen Beinen setzte sie sich den
beiden PSA-Agenten gegenüber.
»Nun schießen Sie mal los! Sie sind von der Polizei, nicht wahr?«
»Warum? Sieht man uns das an?« reagierte Larry erstaunt.
»Weniger ansehen. Ich habe so ein Gefühl dafür, wissen Sie. Oder glauben
Sie, ich würde einfach jeden fremden Mann hereinlassen, nur weil er etwas über
Winny wissen will?«
»Winny?« wiederholte Larry.
»Winston Yorkshere. Das war sein Kosename. Schade, dass er tot ist. Winny
war ein lieber Kerl. Ich finde es übrigens erstaunlich, dass Sie wissen, dass
Winny und ich ...«
Sie fuhr nicht fort. Doch Larry konnte sich den Satz auch so zu Ende
denken. Er nickte. »Es ist erstaunlich, ja. Und es war gar nicht so einfach.
Aber nun wissen wir es. Wie kam es, dass Mister Yorkshere und Sie ...«
Mady Stilon winkte ab, und die Münzen und kleinen Figuren an dem dünnen
Goldkettchen an ihrem Arm rasselten. »Nicht so förmlich, Larry«, sagte sie
vertraulich. »Sagen Sie doch auch Winny! Das hört sich viel netter an.«
»Also schön – Winny. Wie kam es, dass er und Sie ein Verhältnis hatten?«
»Oh«, sie spitzte die Lippen und schwenkte das gefüllte Glas in ihrer Hand.
Die Bewegungen setzten sich über die Muskeln und Sehnen unter ihrer
samtschimmernden Haut fort. »Sie wollen gleich alles wissen. Reicht es nicht,
dass wir uns
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