0261 - Im Schatten des Würgers
Gerstein beruhigte sich langsam. Wir warteten noch eine Minute, dann schien er so weit zu sein, daß man Fragen an ihn stellen konnte. Während Phil auf den Flur ging, um Bibbo, Colon und den Kellner höflich aber bestimmt hereinzubitten, unterhielt ich mich mit Meyer Gerstein.
»Sind Ihre Teste immer so temperamentvoll, oder hatten Sie ungebetenen Besuch?«
Gerstein blickte mich starr an. Er hatte sich jetzt gefangen, quälte so etwas wie ein Lächeln in sein Ganovengesicht und sagte:
»Wahrscheinlich verdanke ich Ihnen mein Leben, Mister Cotton. Ich…«
Er wurde unterbrochen, denn Phil kam mit den drei Prügelknaben herein und deponierte sie neben Gerstein auf der Couch.
»Was wollten Sie sagen«, nahm ich den Faden wieder auf.
»Ich wurde überfallen. Sie drangen vor einer Viertelstunde bei mir ein. Colon, Bippo und Johnson waren noch bei mir. Wir pokerten.« — Gerstein deutete auf den Tisch in der Mitte des Raumes. Dort lagen Spielkarten, Münzen und Dollarnoten. Eine Flasche Gin und vier Gläser standen auf einem silbernen Tablett. — »Wir konnten noch nicht schlafen. Wir sind es gewohnt, bis zum Morgengrauen wach zu bleiben. Also pokerten wir. Da kamen sie und…«
»Wer?«
»Sie werden ihn sicher kennen. Wenigstens seinen Namen werden Sie kennen, Mister Cotton.« — Gerstein sah so müde aus wie eine Testperson für Schlaftabletten. — »Er heißt Edward Callagham. Er und seine vier…«
Wie Schuppen fiel es mir jetzt von den Augen. Callagham! Das also war die Stimme gewesen. Die Stimme, die mir so bekannt vorgekommen war.
Die Fahndung nach Callagham lief seit zwei Jahren. Bis jetzt aber vergeblich. Callagham war einer der größten Rauschgifthaie, die je unseren Kontinent unsicher gemacht haben. Als Sohn italienischer Eltern hatte sich Callagham innerhalb von sechs Jahren zu einem Gangster emporgearbeitet, der den gesamten Rauschgifthandel zwischen Südamerika und den Staaten nicht nur kontrollierte, sondern auch beherrschte und seine Macht mit einer Reihe gefährlicher Verbrechen ständig ausbaute. Er ging so geschickt vor, daß man ihm lange Zeit nichts anhaben konnte, obwohl es längst die Spatzen von den Dächern pfiffen, daß Callagham das As unter den Rauschgifthaien sei. Vor zwei Jahren endlich war es in Los Angeles gelungen, einen Leibwächter des Gangsters bei einem kleineren Delikt zu fassen. Der Gorilla wurde dingfest gemacht und wochenlang verhört. Dann war er weich. Er sang, bevor er sich für einige Jahre hinter Zuchthausmauern befand. Seine Aussagen reichten aus, um weitere Ermittlungen anzustellen, die ebenfalls zu Erfolgen führten. Vier Tage später wurde ein Haftbefehl gegen Edward Callagham ausgestellt. Aber das FBI kam zu spät. Callagham war verschwunden. Er tauchte auch nicht wieder auf. Man vermutete damals, daß er sich nach Südamerika davongemacht habe. — Ich selbst war damals zweimal nach Los Angeles geflogen — wo sich das Home des Gangsters befand — und hatte an Verhören teilgenommen. Daher kannte ich die eigenartige fistelnde Stimme des Gangsters genau.
In Sekundenschnelle waren mir die Gedanken durch den Kopf gerast. Es waren hur wenige Worte Gersteins, die ich nicht mitbekommen hatte.
»Noch mal! Was wollte Callagham von Ihnen? Woher kennen Sie ihn überhaupt«, sagte ich. In meiner Stimme klang eine nicht überhörbare Schärfe mit. Gerstein beeilte sich mit der Antwort.
»Ich kannte Callagham nicht«, sagte er in kläglichem Ton. »Jedenfalls nicht persönlich. Er stand plötzlich in der Tür. Mit ihm kamen vier Burschen, denen ich nicht im Dunkeln begegnen möchte. Callagham sagte, wer er sei und bedrohte mich dann.«
»Warum drohte er?«
»Er sagte, ihm sei zu Ohren gekommen, daß ich mit Rauschgift handele — was natürlich überhaupt nicht stimmt — und er werde mich umbringen, falls ich die Finger nicht davon ließe. Er sei im Begriff, den Rauschgifthandel an der Ostküste neu zu organisieren, und ich sei ihm dabei im Wege.«
»Sie wissen, Gerstein, daß das Rauschgiftdezernat ein Auge auf Sie hat. Sie stehen im Verdacht, mit Rauschgift zu handeln wie andere mit sauren Gurken.«
»Um Gottes willen, Mister Cotton. Davon ist kein Wort wahr. Ich verdiene mein Geld mit dem Barbetrieb. Das reicht mir. Mit Rauschgift will ich nichts zu tun haben. Ich bin herzkrank. Ich würde nicht einmal die Aufregung vertragen.«
»Wenn das Ihre einzigen Bedenken sind«, sagte ich, schwenkte dann aber wieder auf das Thema. »Wie sind Callagham und seine
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