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0261 - Im Schatten des Würgers

0261 - Im Schatten des Würgers

Titel: 0261 - Im Schatten des Würgers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Kalmuczak
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doch lieber keine Tricks zu probieren.
    Ein Schuß peitschte auf.
    Die Detonation war geeignet, das Trommelfell eines Elefanten zu martern. Die Kugel pfiff daumenbreit über meine Kopfhaut, wirbelte mir den Hut vom Kopf und klatschte gegen die lilatapezierte Wand des Ganges.
    »Ich wiederhole meine Aufforderung nicht«, ließ sich die helle Stimme vernehmen, und ich ließ gehorsam meine Pistole fallen. Phil folgte meinem Beispiel.
    »Los, verschwinden wir.«
    Es war beinahe die Stimme eines Kindes. Irgendwie weckte sie eine Erinnerung in mir. Nur wußte ich nicht, welcher Art diese Erinnerung war. Aber mein Instinkt flüsterte mir ein, daß es nichts Angenehmes gewesen war.
    Vier Gestalten kamen über den Gang auf uns zu. Die Situation war verteufelt. Vier bösartige Burschen vor der Nase, einen sicheren Schützen im Rücken. Aber meine Sorge war unbegründet. Die vier Gestalten — unter ihnen war der häßliche Mann, der heftig atmend an der Wand gelehnt hatte — gingen an uns vorbei, ohne nach uns zu schlagen oder ein Messer in Bewegung zu setzen.
    Ich hörte, wie sie die Treppe hinunterpolterten. Als ich mich umdrehen wollte, kam die scharfe Stimme wieder aus dem Dunkel des Treppenhauses.
    »Wenn du dich umdrehst, pumpe ich dich voll Blei.«
    Ich rührte mich nicht mehr. Langsam zählte ich bis zwanzig und fragte dann: »Dürfen wir jetzt?«
    Die Antwort blieb aus. Im gleichen Augenblick wurde die Eingangstür der Bar zugeschlagen. Sekunden später heulte der Motor eines schweren Wagens auf, der sich mit hoher Geschwindigkeit entfernte.
    Jetzt fand Phil den Lichtschalter. Der Gang wurde in strahlende Helligkeit getaucht. Die plötzliche Lichteinwirkung war so stark, daß ich für einen Moment geblendet die Augen schloß. Als ich ein dumpfes Stöhnen vernahm, beeilte ich mich, die Augendeckel wieder aufzuklappen.
    Der Gang sah aus wie ein Trümmerfeld. Der Teppich war zerfetzt. Die Tapete hing in Streifen von der Wand. Kalk bröckelte aus den Rissen und Löchern hervor und bedeckte wie Mehl den Boden. Von dem Spiegel, der ohnehin schon einen Sprung gehabt hatte, war nichts übriggeblieben als ein Haufen Scherben. Zwei zerbrochene Stühle lagen auf dem Boden. Ein umgekippter Garderobenständer versperrte den Weg.
    Zwischen den Trümmern der ramponierten Möbel lagen drei Gestalten.
    Im Vergleich zu ihnen waren die Möbel noch gut erhalten. Bei näherem Hinsehen erkannte ich Colon. Er blutete aus einer Stirnwunde, lag auf dem Rücken und hatte einen entrückten Gesichtsausdruck. Allerdings kann ich nicht behaupten, daß Colons Gesicht Zufriedenheit ausdrückte.
    Auf dem Boden sitzend, mit dem Rücken an die 'Wand gelehnt, fanden wir Bibbo. Er führte gerade Daumen und Zeigefinger in den Mund, fummelte hinter seinen aufgeschlagenen Lippen herum und brachte dann zwei Vorderzähne zum Vorschein. Uns schenkte er keinen Blick.
    Der vierte Mann war bewußtlos. Sein Gesicht wies keine sonderlich schweren Verletzungen auf. Wie ich richtig vermutete, hatte er einen Kinnhaken eingesteckt, der so punktgenau saß, daß er das Bewußtsein für ein Viertelstündchen abhanden kommen ließ. Ich erkannte in dem K.o.-Geschlagenen einen der Kellner. Wir hatten den Mann am Abend verhört. Er hieß Jeff Johnson und wohnte irgendwo in der Battery.
    Die erste Tür linker Hand war nur angelehnt.
    Phil stieß sie auf.
    Wir vernahmen ein rasselndes Atmen. Diesmal fand Phil den Lichtschalter auf Anhieb.
    Es war ein helles Wohnzimmer, sehr modern und bequem eingerichtet. Vor dem Fenster stand ein großer Schreibtisch. Auf der grünen Schreibtischunterlage prangten zwei weiße Telefone. Der Schreibtisch war mit Zeitungen, Journalen und Magazinen überladen.
    Rechts an der Wand stand eine große Couch ohne Rückenlehne’. Mehr liegend als sitzend hatte sich Meyer Gerstein darauf niedergelassen. Sein Atem ging rasselnd. Aus entsetzten Augen blickte uns der Barbesitzer entgegen. In der zitternden Rechten hielt er eine kleine weiße Plastikschachtel, deren Deckel emporgeklappt war. Ich sah johannisbeergroße,' rote, geleeartige Pillen darin liegen. Gerstein fischte eine der Pillen aus der Schachtel und ließ sie zwischen den Lippen verschwinden.
    Phil war mit einem Satz neben dem Barbesitzer. Er nahm ihm die Schachtel aus der Hand und warf einen Blick auf das Etikett.
    »Ein Mittel für Herzkranke«, sagte er dann zu mir gewandt. »Kein Gift.«
    Ich beobachtete Gerstein, dessen Adamsapfel auf und nieder hüpfte.
    Etwa eine Minute verging.

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