0263 - Das Syndikat der toten Seelen
Dank, Mister Rusky. Sie sind sehr verständnisvoll. Ich werde Sie unserem Club zur Auszeichnung Vorschlägen.«
Mr. Rusky lehnte sich fast erschrocken in seinen Stuhl zurück.
»Auszeichnung? Club?« wiederholte er. »Was ist das nun wieder?«
Susy Fleckson erklärte es ihm in entwaffnender Ehrlichkeit:
»Wir haben einen Club gegründet, der jeden Monat einmal einen vernünftigen Erwachsenen auszeichnet.«
»Oh!« lächelte Mr. Rusky. »Gibt es viele?«
»Was, Mitglieder?« , »Nein. Vernünftige Erwachsene.«
Susy schüttelte betrübt den Kopf.
»Es geht. Man darf eben nicht zuviel von ihnen erwarten.«
»Ja, da haben Sie gewiß recht.«
Susy Fleckson brachte also ihr Tonbandgerät mit. Sie besaß ein Band, das auf beiden Spulen insgesamt vier Stunden Jazz enthielt, und sie vergnügte sich damit während der einsamen Arbeit in der Dunkelkammer.
Bald gewöhnte sie sich an, das Bandgerät stehenzulassen, statt es abends nach Hause und morgens wieder zum Institut zu schleppen. Als Harry Belford, der vierzigjährige Labordiener, Geburtstag hatte und es eine Stunde vor Feierabend die übliche Kollegen-Party gab, brachte Susy auch noch das Mikrofon mit, um von den vorgebrachten Glückwünschen eine Bandaufnahme zu machen.
Bei der Gelegenheit blieb, auch das Mikrofon in der Dunkelkammer stehen.
Am Dienstag, dem 27. März, abends gegen halb sechs, knipste Susy in der Dunkelkammer die rote Lampe aus und die volle Deckenbeleuchtung an. Automatisch erlosch damit außerhalb der Dunkelkammer das rote Warnlämpchen, das den anderen Mitarbeitern des Instituts anzeigte, daß im Augenblick niemand die Dunkelkammer betreten dürfte.
Kaum hatte äusy die Deckenbeleuchtung eingeschaltet, da ging die schwere Metalltür auf und der junge Mann mit der Sommersprossensammlung huschte herein.
»Nanu, Peter?« staunte Susy. »Sie sind der einzige, der mich noch nicht in meiner Burg hier besucht hat. Was verschafft mir die unerwartete Ehre?«
Die Sommerprossen verloren ein wenig von ihrer Deutlichkeit, denn Peters ganzes Gesicht färbte sich glühend rot.
»Wollte bloß mal fragen, ob Sie heute abend was Bestimmtes Vorhaben, Susy«, brummte er in einem Ton, als ob es ihn im Grunde gar nicht interessiere.
Susy wandte sich ab und betrachtete sehr interessiert die soeben entwickelten Aufnahmen.
»Nein, ich habe eigentlich nichts Besonderes vor«, erwiderte sie.
»So«, murmelte Peter.
Eine Weile herrschte Schweigen.
»Warum?« fragte, Susy dann.
»Ach«, brummte Peter, »ich hatte gedacht, wir könnten vielleicht mal zusammen in ein Kino gehen. Oder einen Cocktail zusammen trinken. Ich kenne auch ein hübsches ungarisches Lokal mit 'einer richtigen Zigeunerkapelle. Und dann kenne ich - noch einen Jazz-Keller, da spielen die Blue Bell Bpys von der Columbia-Universität. Oder wir könnten —«
Susy lachte ihn freundlich an.
»Ist das nicht ein bißchen viel für einen Abend?« fragte sie. »Wie wär’s, wenn wir das der Reihe nach in den nächsten Wochen erledigten?«'
Peter schluckte.
»Prima«, sagte er dann »Sie — Sie sind ein prächtiger Kerl, Susy. Müssen Sie vorher noch nach Hause?«
»Nicht, wenn ich woanders esse.«
»Klar! Ich kenne 'ein nettes Lokal, wo —«
Susy lachte.
»Meine Güte, Peter!« rief sie. »Sie sollten sich als Fremdenführer einstellen lassen. Ich muß hier noch aufräumen. Warten Sie auf mich?«
»Klar!« rief Peter. »Also bis gleich!« Die beiden jungen Leute stürzten sich auf ihre Arbeit, als müßten sie Rekorde brechen. Als Susy oben im Labor ihren weißen Kittel auszog, hörte sie, wie Mr. Rusky hinten am großen Arbeitstisch sagte:
»Miß Salberg, Mister Morre und Mister Termove, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie heute abend noch ein Wenig hierbleiben könnten. Wir haben einen dringenden Auftrag für eine Lebensmittelprüfung.«
Die Kollegen waren bereit dazu.
Rusky verließ das Labor. Susy beschäftigte sich im Waschraum, dessen Tür sie versehentlich halb geöffnet hatte, mit der Auffrischung ihres Makeup. Sie konnte das Gespräch der Kollegen deutlich hören.
»Innerhalb von sechs Wochen schon die dritte Nachtschicht«, sagte Morre. »An Arbeitsmangel können wir uns wirklich nicht beklagen.«
»Sei froh«, brummte Termove. »Bei der Bezahung.«
Susy Fleckson setzte sich ihre Kappe auf und warf einen letzten, prüfenden Blick in den Spiegel. Seit sie Peter damals dias erstemal gesehen hatte, war sie in ihn verliebt. Und nun endlich hatte er den ersten schüchternen
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