0263 - Wenn die Totengeister schreien
langsamer, zum Mitschreiben. »Wir befassen uns mit übersinnlichen Erscheinungen oder anderen unerklärlichen Dingen.«
»So wie das sogenannte Ungeheuer von Loch Ness«, warf Gryf ein. »Ich kenne es von früher… ups!«
Der Wirt grinste, weil er Gryfs herausgerutschte Bemerkung als Scherz nahm. Woher sollte er auch wissen, daß Gryf, der wie ein Zwanzigjähriger aussah, schon vor achttausend Jahren durch diese Gegend streifte und dabei auch »Nessie« begegnet war?
»Ach so. Gespenster und Monster und so«, schmunzelte der Wirt. »Nun, da werden Sie bei uns aber nicht viel finden. Die hat’s früher mal gegeben, oben auf dem Castle. Aber das ist ein Vierteljahrhundert her.«
Zamorra und Gryf sahen sich an. »Auf Ralbury Castle? Was war da?« fragte der Professor. Nur zu deutlich erinnerte er sich an Gryfs Worte, daß etwas erwacht sei.
Wußte im Dorf noch niemand davon? Oder war hier von zwei verschiedenen Dingen die Rede?
Carmayne erzählte die Geschichte von den schreienden Toten, deren jeweils siebter Schrei ein Opfer forderte. »Aber, wie gesagt, das ist nun genau sechsundzwanzig Jahre her, seit der Fluch gebrochen wurde.«
»Sechsundzwanzig ist zwei mal dreizehn«, warf Nicole ein und nippte an ihrem Tee. Der mußte ziemlich stark mit Rum versetzt sein. Aber das störte sie im Moment nicht, weil das Teufelsgebräu wärmte und sie ohnehin nicht vorhatte, mehr als diese eine Tasse zu trinken.
»Sicher, Miss«, sagte Carmayne.
In diesem Moment erhob sich ein junger Mann, der an einem Nebentisch gesessen und auf Bedieung gewartet hatte. Zamorra war im Gespräch nicht aufgefallen, wann er hereingekommen war. Jetzt schob er sich heran. »Die Toten schreien wieder, Carm. So sehr scheint der Fluch nun doch nicht gebrochen zu sein.«
Carmayne fuhr herum. Seine Brauen senkten sich. »Was?«
Pete MacCloud wiederholte seine Bemerkung. »Zumindest einer hat gestern abend geschrien. Es geht also wohl wieder los.«
Carmayne schluckte. »Woher willst du das denn wissen, Junge?«
Pete wandte sich halb den drei Parapsychologen zu. »Pete MacCloud heiße ich. Meine Freundin - die von gestern abend, Carmen - arbeitet oben im Castle in der Bibliothek. Und sie hat einen schreienden Schädel gesehen.«
Zamorra achtete genau auf die Wortwahl. Pete sagte nicht: »will gesehen haben«, sondern »hat gesehen«. Das hieß, daß er ebenso wie sie absolut davon überzeugt war.
Schreiende Tote? Schädel, die sich lautstark bemerkbar machten? So etwas sollte es geben. Zamorra hatte einmal davon gelesen, wußte aber nicht mehr, wo und in welchem Zusammenhang. Ein Anruf in Frankreich hätte die Daten per Computer normalerweise sofort verfügbar gemacht. Bloß war der Computer zerstört. Da war also nichts zu machen.
»Erzählen Sie mir mehr davon«, bat er.
Carmayne wurde ein wenig abweisend. »Warum interessieren Sie sich dafür? Sie sind fremd hier und…«
»Weil es unser Fachgebiet ist«, sagte Nicole. »Und weil wir hinter einer Sache her sind, die uns hierhin führte. Vielleicht ist ein und dasselbe.«
Abwechselnd berichteten Pete und Carmayne von der alten Geschichte.
»Das könnte es sein«, sagte Gryf nachdenklich. »Ich denke, wir sollten uns dieses Ralbury Castle einmal ansehen. Seine Lordschaft dürfte kaum etwas dagegen haben, daß wir uns um die Sache kümmern.«
»Ich kann Ihnen den Weg hinauf zeigen«, bot Pete sich an - nicht ganz uneigennützig. Immerhin hoffte er, Carmen da oben wenigstens kurz zu sehen.
»All right«, sagte Gryf. »Mister Carmayne, bekommen wir die Zimmer?«
Sie bekamen sie.
***
Der Tote aus der Bibliothek war so spurlos verschwunden, wie er auftauchte. Sir Glenn versuchte erst gar nicht, dieses Phänomen zu ergründen. Ein Toter, der sich aus seinem selbstzertrümmerten Sarg erheben konnte, konnte auch durch Wände gehen.
Thomas Kyll tauchte auf. Seine Fahrt nach Perth hatte er ersatzlos gestrichen. Er erzählte von der Leiche, die ihn auf dem Zufahrtsweg abfing. »Dreimal hat sie geschrien um dann spurlos zu verschwinden, Pa…«
»Damit haben wir insgesamt fünf Schreie«, sagte der Earl. »Beim siebten gibt es einen Toten…«
»Vielleicht auch nicht«, widersprach Thomas. »Diesmal ist es doch anders, als es damals gewesen sein soll… Waren die Toten da nicht nur nachts aktiv? Jetzt aber schreien sie schon im hellen Tageslicht.«
»Aber sie schreien…« murmelte Sir Glenn.
»Man muß doch etwas dagegen tun können, Sir«, sagte Carmen Visher. »Ich meine… ich bin
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