0263 - Wenn die Totengeister schreien
»Sie arbeitet im Castle.«
Sofort wurde die Dame etwas ungändiger. Die Leute vom Schloß mußten nicht gerade beliebt im Dorf sein.
»Ach, laß die alte Frau«, sagte Pete, als Carmen ihr abweisendes Gesicht sah. Er zog das Mädchen zu sich in den Sessel, der unter der doppelten Belastung knarrte. »Schön daß du da bist. Laß dich küssen.« Und er setzte seine Aufforderung auch sofort nachdrücklich durch.
Nach einer Weile kam Carmen auf ihr Problem zu sprechen.
Pete MacCloud hob die Brauen.
»Da ist was dran«, sagte er. »Vor einem Vierteljahrhundert muß da oben auf dem Castle eine kleine Hölle losgewesen sein. Vater erzählte davon. Das ganze Dorf spricht davon. Damals hieß Ralbury Castle noch das ›Todesschloß‹. Ich halte es für möglich, daß der alte Fluch wieder auflebt.«
»Spinnt denn hier die ganze Welt?« wunderte sich Carmen. »Ich dachte, wenigstens du wärst vernünftig.«
»Ich versuche es zu sein«, sagte er. »Aber… du kannst die Kirchenbücher einsehen. Ich bringe dich zum Reverend. Da kannst du nachlesen, wie viele Leute damals innerhalb weniger Tage starben. Es ist direkt unheimlich.«
»Eine Seuche«, sagte sie.
»Keine Seuche. Es war dieser Fluch, von dem keiner weiß, wie er zustandekam. Der Teufelsaustreiber brach ihn, aber es heißt, er soll dabei um Jahrzehnte gealtert sein. Ob das nun stimmt, weiß ich allerdings nicht. Mich gab es ja damals noch gar nicht.« Er lächelte. »Wann mußt du eigentlich wieder oben sein?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Ich kann mir die Zeit selbst einteilen.«
»Was bedeutet, daß du genug hast. Girly, so einen Job hätte ich auch gern… aber weißt du was? Draußen ist es bannig kalt. Und du bist so richtig durchgefroren. Komm, wärm dich auf… laß uns den Tag genießen, so lange er noch frisch ist…«
Er sprang auf und zog auch Carmen aus dem Sessel. Und diesmal hatten ihre Grundsätze nichts dagegen einzuwenden, ihm zu folgen.
Pete sorgte dafür, daß ihr sehr warm wurde. Schöner konnte man einen Tag wirklich nicht beginnen.
***
In Beaminster Cottage hatte sich nichts verändert. Stephan Möbius, Seniorchef des internationalen Möbius-Konzerns, regierte die weitverzweigte Firma von hier aus mit eiserner Hand. Er begrüßte Zamorra, Nicole und Gryf mit gewohnter Herzlichkeit.
»Schön, daß ihr auch mal wieder an einen alten Mann denkt«, sagte er.
Sie waren gute Freunde geworden, nicht allein deshalb, weil Zamorra und Nicole lange Zeit mit dem alten Möbius zusammen unter einem, nämlich diesem, Dach verbracht hatten. Für Zamorra und Nicole war es eine Fluchtburg, für Möbius eine Art freiwilliges Gefängnis. Er durfte das Herrenhaus nicht verlassen, wenn der Teufel nicht seine Seele holen sollte. Unwissend hatte Möbius anläßlich einer großen Prominenten-Party einen Pakt mit dem Teufel geschlossen. Damals hatte er es für einen Gag gehalten. Dann kam das böse Erwachen. Asmodis verlangte, daß der Pakt eingehalten wurde. Und nur hier, innerhalb der durch weiße Magie geschützten Zone des Hauses, war der alte Mann vor dem Zugriff der Hölle sicher.
Der Preis für seine Sicherheit war seine Gefangenschaft. Jeder andere durfte kommen und gehen, wie er wollte. Er nicht, oder er riskierte sein Seelenheil.
Er hoffte, daß Zamorra es schaffen würde, den Pakt rückgängig zu machen. »Denke bei Gelegenheit auch mal wieder daran, daß du Asmodis meine Unterschrift aus dem Kreuz schlagen mußt«, erinnerte er den Parapsychologen.
Zamorra lachte freudlos auf. »Was glaubst du, woran ich seit Wochen denke. Aber ich muß erst einmal selbst festen Stand bekommen, ehe ich mich mit Asmodis anlegen kann.«
»Weiß ich doch«, knurrte der alte Mann. »Aber dadurch wird dieses Gefängnis hier auch nicht schöner, verstehst du?«
»Du weißt, daß ich tue, was ich kann. Einen Teilerfolg haben wir erzielt und Château Montagne zurückerobert. Jetzt jagen wir Leonardo.«
»Du hast eine Spur?«
Zamorra nickte. »Wir machen hier nur Zwischenstation. Leonardo muß sich irgendwo in Schottland aufhalten, im Raum Edinburgh. Da ist ein Süppchen am kochen, zu dem wir noch das passende Gewürz liefern müssen.«
»Braucht ihr einen Wagen? Das Spezialfahrzeug habt ihr in Frankreich gelassen, wie ich sehe.«
Zamorra schüttelte den Kopf. »Das dauert alles zu lange. Wir springen nach Edinburgh, nehmen uns dort einen Mietwagen und tasten uns weiter vor.«
»Wie ihr wollt«, lächelte Möbius. »In Edinburgh haben wir zwar keine
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