0268 - Wikkas Rache
durch ein Moor gefahren sind. Ein Vergnügen ist das nicht, kann ich Ihnen sagen.«
»Da gibt es doch eine Straße!« warf Lydia ein.
»Klar gibt es die. Das heißt, Straße können Sie dazu nicht sagen. Ist mehr ein matschiger Feldweg.« Er schaute zur Tür hin. »Was haben Sie überhaupt für einen Wagen?«
»Einen Wildcat.«
»Kenne ich nicht.«
»Ist ein Geländewagen!« rief jemand von der Theke her, denn dort bekamen die Männer den Dialog der beiden mit.
»Na ja«, sagte der Wirt, »damit kommen Sie vielleicht durch. Bleibt immer noch die Finsternis.«
Lydia lächelte. »Das Auto hat Scheinwerfer.«
»Die nutzen Ihnen nicht viel. Übernachten Sie lieber hier und fahren Sie erst morgen nach Blackmoor. Das ist sicherlich besser.«
»Danke für den Rat, aber ich werde mich schon zurechtfinden. Die fünfzehn Meilen packe ich noch.«
»Wie Sie wollen, Miß. Sagen Sie hinterher nur nicht, daß ich Sie nicht gewarnt hätte.«
»Wieviel habe ich zu zahlen?«
Der Wirt nannte den Betrag.
Lydia Barrows legte noch ein Trinkgeld hinzu. »Für Ihre Warnungen, Mister.«
»Oh, das wäre aber nicht nötig gewesen.« Der Wirt sah so aus, als wollte er noch etwas sagen, verkniff sich die Bemerkung jedoch. Er hatte inzwischen festgestellt, daß er die Frau doch nicht umstimmen konnte. Die hatte einen Dickkopf.
Lydia Barrows verließ die Gaststätte und sah schon die langen Schatten der Dämmerung, die dem Ort einen völlig anderen Anstrich gaben. Die Häuser verschwammen irgendwie. Zwischenräume wurden verkürzt, es gab nur noch wenige Flecken, die hell waren.
Lydia startete. Sie schaltete auch das Licht ein, und einige Minuten später, als sie das Dorf hinter sich gelassen hatte, tanzten die hellen Scheinwerfer über einen Weg, der immer mehr Sumpfcharakter annahm, allerdings noch gut zu befahren war. Sie war von der normalen Straße abgebogen, weil sie einem Hinweisschild nach Blackmoor gefolgt war.
Obwohl sie sich in der Gaststube noch ziemlich optimistisch gezeigt hatte, blieb ein unruhiges Gefühl. Die Warnungen des Wirts waren doch nicht so wirkungslos verpufft, zudem trug auch die Gegend die Schuld daran, daß sie immer daran denken mußte.
Sie wurde immer unheimlicher.
Je mehr die Dunkelheit zunahm, um so weniger sah Lydia von der Landschaft. Da waren plötzlich gewaltige Schatten, die alles umarmten. Von den Bäumen oder Büschen, die auf dem Moor wuchsen, war nichts mehr zu sehen, dafür entdeckte sie andere Dinge. Tanzende Gestalten, die aussahen wie Menschen und sich erst bei näherem Hinsehen auflösten, so daß Lydia merkte, es hier mit Nebelschwaden zu tun zu haben, die lautlos über das Moor strichen.
Lydia war eine Frau, die einen Sinn für die Realitäten des Lebens besaß. Das mußte sie ganz einfach bei ihrem Job. Unheimliche Dinge waren ihr fremd. Sie glaubte nicht an Geister, nicht an Dämonen und auch nicht an die Interpretation der Irrlichter, daß es die Geister der im Moor verschwundenen Toten waren, denn sie sah die Lichter, die hin und wieder über die dunkle Fläche tanzten.
Wie kleine Raketen kamen sie ihr vor, die im Nichts starteten und einen Zickzack-Kurs einnahmen, bevor sie wieder erlöschten.
In dieser Gegend also fühlte sich ihr Onkel wohl. Davon hatte er in seinen Briefen immer geschwärmt. Begreifen konnte Lydia das nicht so recht, redete sich allerdings ein, daß wohl alles nur Gewohnheitssache war. Wenn sie sich länger im Moor aufhielt, würde sie sicherlich Gefallen daran finden.
Der Wagen spielte gut mit. Lydia hatte sich auch an die ungewohnte Schaltung gewöhnt, so daß sie alle Hindernisse, die sich ihr in den Weg stellten, mit Bravour nahm.
Wie eine dunkle Schlange ringelte sich der Weg durch den Sumpf. Manchmal war er zugewachsen, dann wiederum hatte man ihn durch Bohlen verstärkt, so daß der Wagen nicht einsackte.
Inzwischen zeigte sich auch der Mond.
Rechts von Lydia Barrows stand er. Der Erdtrabant erinnerte sie an eine flache Zitronenscheibe, die jemand mit einem großen Pinsel an den Himmel gemalt hatte.
Und noch etwas sah sie, wenn sie in Richtung des Mondes schaute. Davor, jedoch in Sumpfhöhe, stand eine Ruine.
Sie erinnerte sich, daß ihr Onkel davon einmal geschrieben hatte. Es war ein altes Schloß, vor Jahrhunderten schon ausgebrannt, und es hatte mal einem Hexenjäger gehört.
So schrieb es die Geschichte.
Und die Geschichte schrieb weiter, daß in dieser Gegend ungeheuerliche Bluttaten geschehen waren. Der Hexenjäger war bekannt für
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