0268 - Wikkas Rache
seine grausamen Foltermethoden, er tötete zumeist mit seiner Peitsche. Ihr hatten die Hexen nichts entgegenzusetzen. Wie viele unschuldige Menschen er damit umgebracht hatte, daran wollte Lydia erst gar nicht denken. Noch heute sprachen die Menschen von dem geheimnisvollen Hexenwürger, und sie redeten auch von seiner Rückkehr, denn normalerweise sollte er gar nicht richtig umgekommen sein. Das wußte sie von ihrem Onkel.
Schauermärchen. Wer glaubte schon daran? Lydia Barrows jedenfalls nicht. Und auch nicht ihr Onkel. Sonst hätte er es nicht so lange im Moor aushalten können.
Sicher, die Stimmung war unheimlich, und wenn man sich so ganz in die herrschende Atmosphäre hineinversetzte, konnten einem schon seltsame Gedanken kommen.
Lydia hatte keine Zeit dafür. Sie mußte zu sehr auf die Strecke achten, denn sie wollte keinesfalls in die Gefahr geraten, vom Weg abzukommen und rechts oder links im tiefen Schlamm zu landen, denn da wäre sie auch mit ihrem Geländewagen kaum herausgekommen.
Hoffentlich befand sich ihr Onkel auch in Blackmoor. Er konnte manchmal sehr seltsam sein. Wenn es ihn packte, verzichtete er auf jegliche Zivilisation, übernachtete im Moor und ging völlig in seiner Arbeit auf.
Die Strecke wurde schlechter. Es gab zahlreiche Wellen im Boden, über die der Wildcat schaukelte. Hin und wieder kratzten die Zweige an den Weg heranwachsender Büsche über die Karosserie des Geländewagens. Auch peitschten sie gegen die Frontscheibe, die diese Schläge allerdings aushielt.
Das Moor lag schweigend. Jetzt war der Mond voll aufgegangen. Er schickte sein fahles Licht auf die Erde, und der silbrige Schein glitt lautlos in jede Spalte oder Rinne des Moors.
An den fauligen Geruch hatte sich Lydia inzwischen gewöhnt. Er gehörte eben dazu.
Geisterhaft tanzten und bewegten sich die Nebelschwaden innerhalb des Lichtteppichs. Der Wind trieb sie von beiden Seiten auf den Weg, formte sie zu Figuren, um sie dann zu flatterhaften Gebilden wieder auseinanderzutreiben.
Die Fahrt im 10-Meilen-Tempo war anstrengend.
Nach einer weit geschwungenen Rechtskurve hatte die junge Frau das Gefühl, direkt in das schwarze Moor hineinzufahren. Zuerst bekam sie Angst, sie glaubte daran, daß die Räder es nicht packen würden, doch wenn sie einmal steckenblieb und vorsichtig mit dem Gas spielte, kam sie immer frei.
Bis sie den Schlag an ihrer Kühlerhaube spürte. Der Wagen wurde durchgerüttelt. Lydia war irgendwo gegen gefahren, hatte allerdings nicht genau mitbekommen, um was es sich dabei handelte, denn ihr Blick war für eine Sekunde abgeschweift.
Jetzt durchfuhr sie der heiße Schreck, und sie trat automatisch auf das Bremspedal.
Der Wagen stand.
Zudem hatte sich Lydia so erschreckt, daß sie den Motor abwürgte. Kein Geräusch unterbrach mehr die Stille.
Die Ruhe war ihr unheimlich.
Lydia blieb sitzen, obwohl sie am liebsten den Zündschlüssel wieder herumgedreht hätte, um den Motor zu starten. Sie konnte es einfach nicht, denn sie wollte wissen, was da gegen das Vorderteil des Wagens geschlagen war.
Ihre Hände lagen am Lenkrad. Sie spürte den Schweiß auf ihren Handflächen. Im Gegensatz dazu wurde ihr Mund pulvertrocken. Der Speichel schien zu Staub zu werden.
Ein paarmal hustete sie durch.
Das Auto wurde von den Dunstschleiern umweht. Sie erinnerten Lydia Barrows an lange Fahnen, die unsichtbare Hände lautlos voranschoben und die auch träge über den parkenden Wagen strichen. Der Blick der Fahrerin war starr nach vorn gerichtet. Sie versuchte, über die Kühlerhaube zu schauen und die Ursache für den Zusammenstoß zu finden. Leider war ihr Blickwinkel zu ungünstig, so daß sie sich aufseufzend und ein wenig enttäuscht zurücklehnte.
Bisher hatte ihr die Fahrt in den Sumpf nichts ausgemacht. Nun aber spürte sie die Furcht. Sie traute sich nicht, den Wagen zu verlassen, obwohl es nicht lebensgefährlich war, denn die Bohlen besaßen eine genügende Breite.
Schließlich gab sie sich einen Ruck und machte sich durch Worte selbst Mut.
»So geht das nicht weiter«, murmelte sie. »Nein, so nicht.«
Sie öffnete die Tür an der Fahrerseite und spürte die kühle Luft, die in das Innere des Wagens drang. Auch die Nebelschleier fanden ihren Weg und legten sich wie feuchte Tücher auf ihre Haut.
Die junge Frau atmete tief durch. Sie drehte sich nach rechts, schwang die Beine aus dem Wildcat, fühlte unter den Sohlen der Schuhe den weichen Boden und hatte für einen Moment Angst, einzusinken.
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