0269 - Blutfehde zwischen Wolkenkratzern
den Wahnsinn dieser verblendeten Menschen mit Ihrem Schweigen? Nicht einmal Roman, der eigene Bruder, nennt uns Bernies Adresse. Schweigend liefert man diesen Jungen seinen Mördern aus. Sie machen sich mitschuldig, wenn Sie noch länger schweigen.«
Sie weinte. Ich ließ ihr Zeit, sich zu beruhigen. Schließlich hob sie wieder den Kopf.
»Bernie wohnte damals 29, Leonis Boulevard, Los Angeles. Aber er muss inzwischen umgezogen sein, denn ein Brief von mir kam eines Tages zurück.«
»Sie haben ihm später noch einmal geschrieben?«, fragte ich erstaunt.
Sie nickte. »Es war nach Amalios Tod. Ich bat Bernie um Verzeihung, weil doch alles meine Schuld war. Aber wie gesagt, der Brief kam zurück.«
Ich hatte mir die Adresse bereits notiert. »Und wer Amalio getötet hat, wissen Sie wirklich nicht, Rita?«
Sie schüttelte den Kopf. »Ganz bestimmt nicht, Agent Cotton. Aber ich will Ihnen die Adresse geben. Louis wohnt 410,2 Ist Street West Manhattan. Er ist als Buchhalter bei der Logab Brothers Company beschäftigt. Das ist eine Bootswerft am East River und zwar an der Südspitze der Bronx, gegenüber von Randall Island. Charles arbeitet bei der IRT-Subway und wohnt 3912, Crescent Street in Long Island. Henry finden Sie als Platzwart der Ball Fields im nördlichen Central Park. Er bewohnt dort eine Baracke. Bleibt noch Georges übrig, von dem ich nur weiß, dass er in einem Marine-Camp in San Diego stationiert ist.«
Ich notierte mir alles. »Miss Landy, ich kann mir vorstellen, dass Sie sich jetzt nicht wohl in Ihrer Haut fühlen. Aber Ihr Entschluss, endlich zu reden war vernünftig. Sie brauchen sich keine Vorwürfe zu machen. Fürchten Sie nach den Eröffnungen, die Sie mir gemacht haben, für Ihr Leben?«
»Das weiß ich nicht, Agent Cotton. Es wird viel davon abhängen, ob es Ihnen gelingt, sie zu fassen.«
Ich nickte und schwieg. Sollte ich ihr vielleicht sagen, dass es damit allein nicht getan war? Dass wir in keinem Fall beweisen konnten, wer von ihnen die tödlichen Stiche geführt hatte?
Als ich mich von ihr verabschiedete, nahm ich mir vor, von June Hollands Angebot Gebrauch zu machen. Rita Landy musste ab sofort zu ihrem eigenem Schutz überwacht werden.
***
Kurz nach Mitternacht schlugen wir zu. Phil und ich verhafteten Henry Arnaud. Er leistete keine Gegenwehr und ließ sich völlig teilnahmslos abführen. Zur gleichen Zeit warteten Jimmy Reads und Louis Heydt in der Crescent Street auf seinen Bruder Charles. Er kam erst gegen Morgen vom Dienst, verteidigte sich mit bloßen Fäusten gegen unsere beiden Kollegen und wurde schließlich überwunden. Das Nest in der West 2 Ist Street war leer. Louis Arnaud war schon seit drei Tagen nicht mehr in seiner Wohnung gewesen. Ein Anruf bei der Firma Logab Brothers ergab, dass er auch dort schon drei Tage unentschuldigt fehlte.
Bei ihrer Vernehmung behaupteten Henry und Charles, in der Nacht vom 17.August, also der Nacht des Mordes an Amalio Abbata, nicht aus dem Haus gegangen zu sein.
Diese Einlassung nutzte ihnen jedoch nicht viel. Die beiden Bahnbeamten der Canal-Street-Station erkannten zumindest Charles mit Sicherheit wieder. Nach drei Tagen mussten wir Henry wieder auf freien Fuß setzen, da sein Anwalt Beschwerde gegen den Haftbefehl erhoben hatte.
Drei volle Monate blieb es ruhig. Es gab keinen neuen Mord. Die Fahndung nach Louis Arnaud lief auf vollen Touren, zeigte jedoch keine Ergebnisse. June Holland war längst aus ihrem Urlaub zurück, und Rita Landy hatte New York mit unbestimmten Ziel verlassen.
Am 14. Oktober wurde in Los Angeles Dino Laurenti zum Tode verurteilt. Nach der Verhandlung wurde er nach St. Quentin überführt und dort am 28. Oktober in der Gaskammer hingerichtet.
Das gleiche Schicksal erlitt in New York Roman Abbata. Am 26. Oktober wurde er vom Gericht zum Tode verurteilt und am 13. November in Sing-Sing auf dem elektrischen Stuhl hingerichtet. René, der bei dem Mord an Julian Arnaud am Steuer des Dodge-Lancer gesessen hatte, war ebenfalls noch flüchtig und wurde gesucht.
Die Gerichtsverhandlung gegen Charles Arnaud war auf den 18. Dezember angesetzt worden. Drei Tage vorher begannen sich die Ereignisse dramatisch zuzuspitzen. In Los Angeles begann ein neues blutiges Kapitel dieser Story.
***
Der 15. Dezember war ein Sonnabend. Nancy Potter, die dicke Köchin nahm das Frühstückstablett vom Küchentisch und balancierte es über die Treppe ins obere Stockwerk der pompösen Villa am Calle Vista Drive in Beverly
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