027 - Das Gesicht im Dunkel
Briefwechsel zwischen dem Gouverneur der Bermudas und dem Britischen Kolonialamt dabei, der gedruckt und wohl aus einem Blaubuch herausgerissen war. Was soll ich tun, Herr Shannon?«
»Ja, wenn ich das wüßte! Eines dürfen Sie jedoch nicht tun: Sie dürfen nächsten Sonnabend nicht allein in jenes sonderbare Haus hineingehen. Ich werde Sie auf dem Portman Square erwarten und mit Ihnen hineinschlüpfen.« Er bemerkte ihre erschrockene Miene und fuhr lächelnd fort: »Sie brauchen keine Bedenken wegen etwaiger hinterlistiger Polizeiabsichten meinerseits zu hegen. Wir haben nichts weiter gegen Herrn Malpas, als daß er geheimnisvoll ist. Ich werde nur unten in der Halle in Rufweite bleiben. Übrigens - waren auch Briefe an Herrn Lacy Marshalt unter den Papieren?«
»Nein. Das ist doch der afrikanische Millionär, der nebenan wohnt, nicht wahr?« Und sie erzählte ihm von der sonderbaren kleinen Komödie, die sich vor Herrn Marshalts Haus abgespielt hatte.
»Hm! Das ist vielleicht eine kleine nachbarliche Bosheit des alten Mannes. Ich muß wohl mal mit Marshalt sprechen und ihn fragen, was es mit dieser Feindschaft auf sich hat. Aber hier ist es kalt! Kommen Sie mit. Wir wollen eine Tasse Kaffee trinken, und dabei werde ich mit meinen berühmten ›Ratschlägen für alleinstehende junge Mädchen in London‹ fortfahren.«
Tonger schien anfangs nicht geneigt, Shannon zu melden, als dieser schellte. »Wenn ich zu Hause bin, ist Herr Marshalt nur auf Verabredung zu sprechen«, erklärte er.
»Vielleicht tragen Sie meine Karte hinein?« fragte Dick lächelnd.
»Vielleicht - aber wahrscheinlich nicht. Alle möglichen sonderbare Menschen kommen her und wollen Herrn Lacy Marshalt sprechen, weil er freigebig und großzügig ist. Das ist die Sorte, die wir in Südafrika züchten: freigebig, offenherzig -« Er griff nach Dicks Karte und las sie. »Oh, Sie sind Detektiv? Na, kommen Sie 'rein, Captain. Wollen Sie jemanden verhaften?«
»Wo denken Sie hin! In diesem wunderschönen Haus, wo selbst die Bedienten so höflich und ehrerbietig sind, daß man sie kaum bemühen mag.«
Tonger kicherte. »Ich bin kein Bedienter«, sagte er. »Darin irren Sie sich.«
»Der Sohn des Hauses?« scherzte Dick. »Oder gar Herr Marshalt selbst?«
»Gott behüte! Ich möchte sein Geld und seine Verantwortung nicht haben. Hier entlang, Captain!«
Er führte Dick in einen Salon und folgte ihm zu seiner Verwunderung hinein.
»Es ist doch nichts Schlimmes?« fragte er besorgt.
»Soviel ich weiß, nicht. Dies ist ein freundschaftlicher Besuch, und Sie brauchen nicht hinunterzugehen und die Löffel zu zählen.«
»Ich bin kein Diener«, berichtigte Tonger. »Ich werde Herrn Marshalt Bescheid sagen.«
Er verschwand und kehrte gleich darauf mit Lacy Marshalt zurück. Als er Miene machte zu bleiben, deutete jener stumm auf die Tür.
»Hoffentlich hat Tonger sich keine Freiheiten erlaubt, Captain Shannon«, sagte er, als sie allein waren. »Er ist mit mir zusammen aufgewachsen und - stellt meine Geduld oft auf harte Proben. Sie kommen von Scotland Yard? Was kann ich für Sie tun?«
»Vor allem möchte ich wissen, ob Sie Ihren Nachbarn, Herrn Malpas kennen?«
»Nein, ich habe mich nur über das ewige Geklopfe nebenan beschwert -«
»Das hab' ich gehört. Die Sache ist wohl durch die Distriktpolizei erledigt worden. Sie kennen ihn also nicht?«
»Ich habe ihn nie gesehen und kann Ihnen deshalb nichts Näheres sagen.«
»Wissen Sie auch nicht, wie er aussieht, so daß Sie ihn als einen Bekannten aus Südafrika identifizieren könnten?«
»Nein, wie kommen Sie darauf? Feinde hat man natürlich immer, wenn man es in der Welt zu etwas gebracht hat.«
»Ja, es scheint, als ob Malpas Leute benutzte, um Sie zu schikanieren. Ich möchte zum Beispiel glauben, daß jene betrunkene Frau, die neulich herkam -«
»Eine betrunkene Frau?« Marshalts Stirn verfinsterte sich. Er stand auf und klingelte, worauf Tonger schleunigst erschien.
Aber auf Marshalts ärgerliche Frage erwiderte er nur gleichmütig: »Ja, die war gehörig eingeseift! Fiel ins Haus und fiel gleich wieder hinaus. Sie sagte, sie wäre Frau Lidderley von Fourteen Streams -«
Dick Shannon blickte den Hausherrn an, während der Diener sprach, und sah Marshalts Gesicht leichenfahl werden.
»Frau Lidderley?« sagte Marshalt gedehnt. »Wie sah sie denn aus?«
»Oh, ein kleines Ding - aber Kräfte hatte sie!«
»Klein? Dann hat sie geschwindelt!« Marshalts Stimme klang merklich
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