Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
027 - Das Gesicht im Dunkel

027 - Das Gesicht im Dunkel

Titel: 027 - Das Gesicht im Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
Vom Netzwerk:
aufzusuchen. Ich glaube, daß ich Ihnen eine Beschäftigung verschaffen könnte, die Ihnen zusagen würde.
    Ihr sehr ergebener
    Lacy Marshalt
P. S. Ich bitte um freundliche Rückantwort.
    Sie grübelte den ganzen Morgen über diesen Brief nach. Marshalts Name war ihr bekannt. Er gehörte jenen Kreisen an, von denen oft in den Zeitungen die Rede ist. Nachdem sie mit Hilfe des Adreßbuches festgestellt hatte, daß es eine Frau Marshalt gab, sandte sie mittags ein zusagendes Telegramm ab. Sie konnte ja unmöglich wissen, daß diese in allen Adreßbüchern erwähnte Frau Marshalt eine Finte war, die dem lebenslustigen Herrn Marshalt seit fünfundzwanzig Jahren gute Dienste leistete. Da er nie von seiner Frau sprach, nahm man an, daß eine Entfremdung vorläge und bedauerte den Gatten.
    Bei ihrer Ankunft in dem Haus am Portman Square wurde Audrey von einem korrekt gekleideten Hausmädchen empfangen. In ihrem einfachen schwarzen Cocktailkleid sah sie so entzückend aus, daß Marshalt sie überrascht und staunend anstarrte, während sie sich vergeblich nach ›Frau Marshalt‹ umsah.
    »Ich hoffe, daß Ihnen ein Dinner zu zweien nicht unangenehm sein wird«, sagte er, indem er ihre kleine Hand nicht länger als üblich festhielt. »Vor zwanzig Jahren liebte ich große Gesellschaften ebenso, wie ich sie jetzt hasse.«
    Diese zarte Betonung seines Alters wirkte beruhigend auf das junge Mädchen. »Es war sehr freundlich von Ihnen, mich trotz meiner Vergangenheit einzuladen, Herr Marshalt«, erwiderte sie lächelnd.
    »Oh, es ist ja kristallklar, daß Sie vollkommen unschuldig sind«, erklärte er achselzuckend. »Ich hatte sogar den Eindruck, daß Sie sich für andere aufopferten, und bewundere Sie deshalb und glaube, daß ich Ihnen helfen könnte -«
    »Eine Anstellung habe ich ja, wenn sie mir auch nicht sehr zusagt«, fiel sie ihm ins Wort. »Ihr Nachbar, Herr Malpas, hat mich mit Schreibarbeiten betraut.«
    Jetzt wurde gemeldet, daß angerichtet sei, und sie begaben sich durch einen Gang und eine zweite Tür, die einen Teil des Hauses abtrennte, in ein elegant ausgestattetes Eßzimmer. Als sie eintraten, blieb Lacy zurück und sprach leise mit dem Mädchen, was Audrey wunderte - und ängstigte.
    Plötzlich fiel ihr ein, daß nur die Wand sie von dem Haus ihres geheimnisvollen Arbeitgebers trennte, und - Tapp, tapp, tapp!
    Irgend jemand im Malpasschen Hause klopfte an die Wand.
    Tapp, tapp, tapp!
    Es klang wie eine Warnung. Aber wie konnte der alte Mann wissen ...?
    Nach dem Kaffee lehnte Audrey dankend eine Zigarette ab, warf einen Blick auf die Kaminuhr und sagte: »Sie werden verzeihen, wenn ich früh aufbreche, Herr Marshalt. Ich habe noch zu tun.«
    »Oh, das hat Zeit«, erwiderte er mit einer ungeduldigen Schwenkung seiner großen Zigarre. »Fräulein Bedford, ich möchte Sie vor Herrn Malpas warnen. Ich glaube, daß sich hinter seinem Entgegenkommen sehr häßliche Absichten verbergen.«
    »Herr Marshalt!« rief sie empört und sprang vom Stuhl auf. »Wie können Sie so etwas sagen! Sie haben mir ja selbst erzählt, daß Sie Herrn Malpas nicht kennen.«
    »Ich habe meine Quellen, Fräulein Bedford. Bitte nehmen Sie doch wieder Platz! Es ist kaum neun Uhr.«
    Mit innerem Widerstreben folgte sie seiner Aufforderung, und er fuhr fort: »Ich kenne Sie länger, als Sie ahnen, Sie werden sich kaum erinnern, mich in Fontwell gesehen zu haben? Aber ich versichere Ihnen, daß Sie mir seitdem immer vor der Seele gestanden haben. Audrey, ich habe Sie sehr lieb.«
    Sie stand abermals auf, und er folgte ihrem Beispiel.
    »Ich kann Ihnen den Lebensweg sehr angenehm machen, liebes Kind«, sagte er.
    »Ich ziehe einen rauheren Weg vor«, versetzte sie gelassen und schritt auf die Tür zu.
    »Einen Augenblick!« bat er.
    »Sie verschwenden Ihre Zeit, Herr Marshalt«, sagte sie. »Ich verstehe nur dunkel, was Sie mir vorschlagen, und hoffe, daß ich mich irre. Ich bin törichterweise hergekommen, weil ich Sie für einen Gentleman hielt, der einer -ungerecht Verurteilten beizustehen wünschte.«
    Da änderte sich sein Ton. »Als ob irgend jemand Ihnen das glauben würde!« lachte er brutal. »Ach was, seien Sie vernünftig und versuchen Sie nicht vergeblich, vor mir davonzulaufen. Dieser Teil des Hauses ist ganz von dem übrigen Gebäude abgetrennt, und die Tür ist verschlossen.«
    Sie rannte hinaus und rüttelte an der Tür, die sich nicht öffnen ließ. Im Nu hatte er sie eingeholt, hob sie auf und trug sie wie ein Kind ins Zimmer

Weitere Kostenlose Bücher