027 - Das Gesicht im Dunkel
wollte, stieß ich auf Schwierigkeiten. Und gestern abend wurde es noch schwieriger, weil sich ein Mann auf dem Dach befand - vermutlich ein Detektiv.«
»Wie gelangten Sie wieder herunter?« fragte Dick.
»Das war ja das Erstaunliche! Irgend jemand hatte glücklicherweise für einen Strick gesorgt, der am Schornstein festgebunden und in regelmäßigen Abständen geknotet war - ich kann nur sagen, daß er fast so bequem war wie eine Leiter.«
Shannon sann einen Augenblick nach und ersuchte Martin dann, mit ihm in die Vine Street zu kommen. »Wir müssen Ihre Geschichte genau nachprüfen«, sagte er.
Zu seiner Verwunderung wurden Martins Aussagen auf der Polizeiwache vollauf bestätigt. »Ja, Herr Elton war um acht Uhr hier; er sah aus, als ob er von einem Maskenball käme«, sagte der Beamte. »Ganz zerlumpt und beschmutzt.«
»Und diese Uhr hier geht richtig?« fragte Dick.
»Ja, jetzt geht sie wieder«, erwiderte der Inspektor. »Nur gestern abend blieb sie einmal stehen - gerade um die Zeit, als Sie hier waren, Elton. Es muß wohl an der Kälte gelegen haben, denn wir brauchten sie nur ganz wenig aufzuziehen, um sie wieder in Gang zu setzen.«
»Die dumme Uhr wird wahrscheinlich Ihre Rettung werden«, sagte Dick, als sie wieder draußen waren. »Ich habe mir eine Vollmacht für eine Haussuchung bei Ihnen verschafft und werde diese jetzt durchführen.«
»Wenn Sie irgend etwas finden, was für Sie von Wert ist, werde ich der erste sein, der Sie beglückwünscht«, erwiderte Bunny Elton kühl.
22
Die Zeitungen berichteten genau und wahrheitsgetreu über das Ereignis der vergangenen Nacht, und der ›Globe Herald‹ fügte hinzu:
›Die Polizei steht vor einem fast unlösbaren Rätsel -oder vielmehr vor einer Reihe von Rätseln, die wir hier aufzählen wollen:
1. Wie gelangte Marshalt in das sorgsam gesicherte Haus des Sonderlings hinein? Da er seinen Nachbar so fürchtete, daß er sich von Privatdetektiven schützen ließ, muß er einen starken Beweggrund gehabt haben, um sich zum Betreten des geheimnisvollen Hauses zu entschließen.
2. Auf welche Weise wurde Marshalts Leiche aus Nummer 551 entfernt?
3. Wer tötete den Bedienten Tonger und aus welchem Grund?
4. Wo ist Malpas? Ist er etwa auch in die Hände der gespenstischen Verbrecher gefallen?‹
Dick nickte anerkennend, als er diesen Artikel las. Auch daß bei aller Genauigkeit mehrere wichtige Punkte übersehen worden waren, war ihm sehr lieb. Gleich morgens um zehn Uhr hatte er Marshalts Köchin verhört, die aber nichts weiter auszusagen wußte, als daß ihr Herr das Haus abends um halb acht verlassen hätte, daß Tonger sich gut mit ihm gestanden hätte und ein recht enthaltsamer Mann gewesen sei. Nur in der letzten Zeit hätte er angefangen zu trinken, und da habe sie ihm zu seinen Mahlzeiten statt der bisher von ihm verlangten Zitronenlimonade stärkere Getränke hinaufschicken müssen.
Alles dies sagte ihm nicht viel, und er beschloß, Audrey aufzusuchen, um zu sehen, ob sie vielleicht einige von den Lücken ausfüllen könnte. Er fand sie in dem leeren Speisesaal, wo sie ihr Frühstück einnahm.
»Ich habe schon die Zeitungen gelesen«, sagte sie. »Sie sind ja recht genau unterrichtet.«
»Ja«, bestätigte er und holte den auf dem Schreibtisch gefundenen Briefbogen hervor. »Ist dies vielleicht einer von den Briefen, die Sie für Malpas geschrieben haben?«
»Es ist meine Handschrift«, erwiderte sie. »Besinnen kann ich mich nicht darauf. Ich schrieb all die Sachen immer ganz mechanisch ab, weil sie mir teils sinnlos, teils wunderlich vorkamen. Übrigens - was soll ich jetzt mit dem Geld tun, das er mir gegeben hat?«
»Heben Sie es für seine Erben auf«, sagte er finster.
»Aber er ist doch nicht tot?« rief sie aus.
»Genau sieben Wochen nach dem Tag, an dem ich ihn fasse, wird er tot sein, der alte Teufel!«
Dann fragte er sie noch einmal nach Malpas' Aussehen und schrieb sich ihre Angaben auf. Es war der Mann, dessen Gesicht er durchs Oberlichtfenster gesehen hatte!
Als Dick fort war, ging Audrey wieder nach oben in ihr Zimmer und legte sich ins Bett, denn die gestrigen Erlebnisse hatten sie furchtbar angegriffen und erschüttert.
Sie mußte wohl eingeschlummert sein, denn plötzlich fuhr sie erschrocken in die Höhe.
Ihre Tür war jetzt nur angelehnt, und sie wußte genau, daß sie sie vorher geschlossen hatte. Wer hatte sie geöffnet? Sie ging auf den Flur hinaus, aber es war niemand zu sehen. Ob sie sich nicht
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