027 - Das Henkersschwert
eingemauert. Dabei starb er, wurde aber wieder zum Leben erweckt und lebt seitdem als Untoter weiter. Er quartierte sich bei uns ein, und wir mußten ihm laufend Opfer besorgen. Ich hatte entsetzliche Angst vor ihm.«
Sie schwieg und hing ihren Gedanken nach.
Dorian Hunter beschloß, über den Ring zu fahren, der Wien in einem Halbkreis umspannt. Als er kurz vor der Fasangasse ein Restaurant sah, blieb er stehen. Er hatte den ganzen Tag nichts gegessen, und sein Hunger war übermächtig geworden.
Das Restaurant entpuppte sich als eine einfache Gaststätte und wirkte wenig einladend. An der Theke ständen einige Betrunkene, Weingläser in der Hand. Es roch nach abgestandenem Bier und kaltem Rauch.
Sie gingen am Ausschank vorbei in ein Extrazimmer, das gemütlicher war und nähmen an einem Tisch in der Ecke Platz. Dorian sah flüchtig die Speisenkarte durch. Er entschied sich für ein Wiener Schnitzel mit Bratkartoffeln. Coco wollte nichts essen.
»Ich gehe mal anrufen«, sagte Dorian und stand auf.
Nach kurzem Suchen fand er die Telefonzelle. Er hob den Hörer ab und warf eine Schillingmünze in den Schlitz; dann wählte er die Nummer seines Hotels und verlangte nach Jerome Barrett. Nach wenigen Sekunden meldete sich der Psychiater.
»Ich habe den ganzen Nachmittag auf Sie gewartet«, sagte Barrett vorwurfsvoll.
»Tut mir leid«, sagte Hunter. »Ich konnte nicht kommen. Ich erzähle Ihnen später, wieso. Ist alles in Ordnung?«
»Ja«, sagte Barrett. »Ich habe alles zur Abreise vorbereitet. Wir können jederzeit losfliegen. Sie müssen nur noch einige Papiere unterschreiben. Sie sollten noch heute zur Klinik fahren«
»Ich bin unterwegs zur Klinik«, sagte Dorian.
»Fein. Verlangen Sie Dr. Burger«, sagte Barrett. »Er ist für die Behandlung Ihrer Frau zuständig.« »Wir treffen uns morgen beim Frühstück. Packen Sie Ihre Sachen ein, und seien Sie bitte so nett und geben Sie dem Piloten Bescheid! Er wohnt im Intercontinental. Ich möchte gegen Mittag abfliegen.«
»Das werde ich erledigen«, versprach Barrett.
Dorian hängte ein. Er war unschlüssig, ob er Helnwein anrufen sollte. Von seinem Platz aus konnte er Coco beobachten. Das Mädchen wirkte unglaublich nervös. Ihr Gesicht war noch immer bleich, und sie hielt ihre Hände nicht eine Sekunde ruhig. Abwechselnd spielte sie mit der Zigarettenpackung und dem Feuerzeug.
Dorian warf noch einen Schilling ein und wählte die Nummer Norbert Helnweins. Es dauerte reichlich lange, bis der Hörer abgehoben wurde.
»Helnwein«, meldete sich eine wohlklingende Stimme. »Guten Abend«, sagte Dorian. »Hier spricht Dorian Hunter. Sie erinnern sich an mich?«
»Ja«, sagte Helnwein. »Natürlich. Sie wollen das Schwert sehen, nicht wahr?«
»Stimmt genau«, sagte Dorian. »Kann ich noch heute abend bei Ihnen vorbeisehen?«
»Ja, gern«, sagte Helnwein. »Wann werden Sie kommen?« »In zwei Stunden. Ist Ihnen das recht?« »Sie sind herzlich willkommen. Ich freue mich auf Ihren Besuch. Sie haben meine Adresse?« »Jagdschloßgasse 231. Das ist in Hietzing, nicht wahr?«
»Richtig. Ich erwarte Sie.«
Dorian blieb noch einige Sekunden stehen. Coco sah unruhig um sich. Der Kellner hatte in der Zwischenzeit die bestellten Getränke gebracht; Coco hatte ihr Glas bereits halb ausgetrunken.
Dorian kehrte an den Tisch zurück, und Coco sah rasch auf. In ihren Augen las er Angst. Er war nicht sicher, ob diese Angst echt war, oder ob sie ihm nur eine neue Rolle vorspielte.
Dorian setzte sich und trank einen Schluck Bier; es war kühl und schmeckte aus gezeichnet.
»Ich habe mit Helnwein gesprochen«, sagte er und wartete auf ihre Reaktion. Doch es kam keine; sie sah ihn nur schweigend an.
»Ich besuche ihn noch heute. Vielleicht kann er mir einige Auskünfte über deine Familie geben.« »Das bezweifle ich«, sagte Coco. »Er weiß nicht viel über uns.«
»Und nach meinem Besuch bei Helnwein werde ich deiner Familie einen Besuch abstatten.«
Er beugte sich vor und sah ihr tief in die Augen.
»Laß das lieber!« sagte sie. »Es könnte dein Tod sein.«
»Das ist mir gleichgültig«, knurrte Dorian. »Ich will Bruno Guozzi vernichten.«
»Das ist unmöglich«, sagte sie und spielte weiter mit der Zigarettenschachtel. »Er ist nicht zu töten, da er ja schon tot ist. Du solltest lieber so rasch wie möglich aus Wien verschwinden. Hier droht dir Gefahr. Nichts als Gefahr.«
»Ich fliege morgen nach London zurück«, sagte Dorian. »Und heute nacht will ich
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