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027 - Das Henkersschwert

027 - Das Henkersschwert

Titel: 027 - Das Henkersschwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Davenport
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dir?«
    »Ja«, sagte Dorian und holte es heraus.
    Sie hielt ihm den Ast hin, mit dem sie den Kreis in den Schnee gezogen hatte. »Du mußt den Ast in kleine Stücke brechen. Es müssen mindestens sechs Teile sein, und sie sollen möglichst gleich groß sein.«
    Dorian gehorchte, ohne zu fragen. Er brach den Ast in der Mitte auseinander und teilte die beiden Stücke dreimal. »Was nun?«
    »Mache drei Kreuze daraus«, sagte sie, »und lege je eines vor dich und mich, das dritte legst du in die Mitte des Kreises. Warte noch! Ich werde wahrscheinlich zu schreien beginnen, wenn du die Kreuze bildest. Ich werde dich anflehen, die Kreuze zu zerstören. Höre nicht auf mich! Und wenn du fertig bist, dann versuche sie in Brand zu stecken. Das Holz ist nicht allzu feucht. Es müßte dir gelingen. Achte nicht auf mich! Zuerst steckst du das Kreuz in der Mitte des Kreises an, dann meines und schließlich deines. Alles klar?«
    »Ja«, sagte Dorian.
    »Hör nicht auf mich!« wiederholte sie. »Ich weiß nicht, wie ich reagieren werde, aber tu, was ich dir gesagt habe. Es ist unsere einzige Rettung. Es ist möglich, daß ich dabei sterbe. Dann laß mich liegen und fliehe.«
    Dorian nickte. Nochmals sah er Coco an. Ihre dunklen Augen waren glanzlos, ihr Mund lächelte schwach. Er bückte sich, legte ein Holzstück vor sich auf den Boden und das zweite so darüber, daß ein Kreuz entstand.
    Coco schrie durchdringend. Dorian hörte nicht auf sie. Er machte das Kreuz vor ihren Beinen. Ihr Geschrei wurde unmenschlich. Als letztes legte er das Kreuz in der Mitte zusammen.
    Die Luft begann zu wirbeln. Es war, als wütete innerhalb des Kreises ein Orkan. Der Boden glühte grün. Unsichtbare Finger griffen nach Dorian.
    Und Coco schrie weiter. Ihre Augen waren aufgerissen, ihr Mund stand weit offen.
    »Zerstöre die Kreuze!« keuchte sie. »Ich flehe dich an, zerstöre die Kreuze! Die Schmerzen! Ich halte die Schmerzen nicht mehr aus! Bitte, bitte!«
    Ihre Stimme war in ein Winseln übergegangen. Schweiß rann über ihr verzerrtes Gesicht; ihre Augen funkelten irre.
    Dorian hörte nicht auf sie. Er kniete nieder und versuchte, das Kreuz in der Mitte des Kreises anzustecken. Das Holz begann zu rauchen und erst nach unendlich langer Zeit brannte eines der Stäbchen, dann das zweite. Rasch wandte er sich den Hölzern zu, die vor Coco lagen. Sekundenlang sah er in ihr Gesicht. Es war bleich. Die Haut spannte sich wie Pergament um ihre hohen Backenknochen. Ihre Lippen waren farblos. Sie begann zu husten, und Blut rann aus ihren Mundwinkeln. Die Augen hatte sie geschlossen und beide Hände gegen die Brust gedrückt. Dann wurde ihr Gesicht blau, als würde ein Unsichtbarer die Kehle zudrücken. Sie riß die Augen noch weiter auf. Sie waren leblos wie grüne Smaragde.
    Dorian sah rasch weg und steckte die Hölzchen in Brand. Diesmal fingen sie rascher Feuer. Als letztes kam nun sein Kreuz dran. Während er das Gasfeuerzeug aufflammen ließ, sah er Coco nochmals an.
    Ihr Gesicht schien wie Wachs zu zerschmelzen. Der Anblick war so entsetzlich, daß Dorian augenblicklich wegsah.
    Das Mädchen begann wieder zu schreien.
    Als das Kreuz zu Dorians Füßen brannte, war Coco zu Boden gesunken. Sie lag mit dem Gesicht im Schnee. Dorian bückte sich und hob ihren Kopf hoch. Ihre Augen waren geschlossen; sie atmete schwach. Vorsichtig trat er aus dem Kreis und ging einige Schritte in Richtung Tor. Diesmal rückte es nicht in die Ferne. Nur noch eines der Kreuze brannte.
    Er hob Coco hoch und lief auf das Tor zu. Das Mädchen begann sich schwach in seinen Armen zu bewegen. Das Tor kam immer näher. Coco schlug die Augen auf, sah Dorian an und dann auf das Tor.
    »Setz mich ab!« sagte sie.
    Er stellte sie auf die Beine.
    »Wir haben jetzt Zeit. Sie sind verschwunden. Ich weiß nicht, ob es mir gelingen wird, den Pförtner abzulenken.«
    Sie blieb stehen und versuchte es. Nach einigen Sekunden schüttelte sie den Kopf. »Ich bin noch zu weit entfernt. Wir müssen näher heran.«
    Nach hundert Metern probierte sie es nochmals. Der Pförtner stand plötzlich bewegungslos da.
    »Wir können hinaus«, sagte Coco.
    Sie gingen am Pförtner vorbei zum Parkplatz. Coco reichte Dorian die Autoschlüssel, und sie stiegen ein. »Wir haben es geschafft«, sagte Dorian.
    Coco nickte schwach. »Im Augenblick sind wir sicher, aber sie werden es wieder versuchen. Du bist zu wichtig für sie.«
    »Für wen?«
    »Für meine Familie«, sagte Coco. »Sie werden alles

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