027 - Ruf des Blutes
anschaulich zu erzählen wusste wie Jonpol Sombriffe. Und es konnte kaum ein Zweifel daran bestehen, dass der Truveer vom Wahrheitsgehalt seiner schauerlichen Moritaten überzeugt war.
Matt selbst war zwar weit davon entfernt, über die Nosfera wirklich Bescheid zu wissen, aber er wusste immerhin, dass diese Rasse entstanden sein musste wie viele andere, nachdem »Christopher-Floyd« im Februar 2012 auf der Erde eingeschlagen war: Sie waren mutiert - unter einem Einfluss, der Matt selbst noch rätselhaft war. Mittlerweile war ihm natürlich klar, dass dieser Einfluss in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Kometen stehen musste, aber das Problem als solches stand nach wie vor auf seiner ellenlangen Liste mit Fragen, die ihrer Antwort harrten…
Wie auch immer, den Nosfera eine mythische und mystische Historie anzudichten, die nichts anderes tat als alte Vampirlegenden nachzuerzählen, war an den Haaren herbeigezogen. Obgleich Matt durchaus eine Vorstellung hatte, wie es dazu gekommen war: Als sich Überlebende der Katastrophe zu Gruppen zusammengefunden haben und an Lagerfeuern zur Zerstreuung Geschichten erzählten, die sie selbst noch gekannt hatten, aus Bücher und Filmen beispielsweise. Im Laufe der Jahrhunderte und mit der fortschreitenden Degeneration der Menschen mochten diese Geschichten ein Eigenleben entwickelt haben und zu Legenden und Sagen mutiert sein.
»Erzähl mir, was du mit ›Ruf des Blutes‹ meintest«, bat Matt, als der Truveer eine Pause einlegte, um ein paar Bissen zu essen.
»Dazu muss ich weiter ausholen«, erwiderte Jonpol kauend.
Matt nickte ergeben. Das hatte er nicht anders erwartet. Sich in wenigen Worten auszudrücken schien nicht die Stärke seines Weggefährten zu sein.
»So sehr die Nosfera allerorten auch gefürchtet werden, so verachtet und hasst man sie doch auch«, begann Sombriffe nach einem kräftigen Schluck von seinem Gebräu. »Und vor allem: Es regt sich Widerstand gegen das Volk der Nacht. Man lauert den Nosfera auf, stellt sie und richtet sie hin.«
Für Matt klang das nach einer Neuauflage der mittelalterlichen Inquisition. Nicht zum ersten Mal dämmerte ihm die Erkenntnis, dass sich die Geschichte der Menschheit eben doch wiederholte, in der einen oder anderen Form…
»Die Nosfera allerdings haben ihre größte Schwäche erkannt: ihre Uneinigkeit«, fuhr der Truveer fort. »Sie treten in der Regel einzeln oder in kleinen Gruppen auf. Es mag ein paar Ausnahmefälle geben; ich habe auch schon von ganzen Sippschaften gehört, bin jedoch noch keiner begegnet - was ich keineswegs bedauere!«
Wieder stärkte er sich zwischendurch mit einem Schluck und einem Bissen Trockenfleisch.
»Solche größeren Verbünde von Nosfera müssen früher oder später scheitern, aus dem einfachen Grund, dass es ihnen an Blut fehlt. Die großen Mengen, die es bedarf, um alle Mäuler zu stopfen, sind schwer zu beschaffen. Ein Einzelner hat es da doch wesentlich leichter, seinen Bedarf zu decken.«
»Und was hat das mit diesem ›Ruf des Blutes‹ zu tun?«, warf Matt etwas ungeduldig ein. Er war längst todmüde und sehnte sich nach Schlaf.
»Dazu komme ich gleich«, versprach der Truveer. »Wenn die Entwicklung so weitergeht, dann müssen die Nosfera damit rechnen, dass ihre Art irgendwann in nicht allzu ferner Zeit ausgelöscht wird. Und mögen sie auch nichts als Ungeheuer sein, so hängen sie doch an ihrem Leben. Also müssen sie etwas unternehmen, um dieser Hetzjagd ein Ende zu bereiten.«
»Und das wäre…«
»… besagter Ruf des Blutes. Sie treffen sich in Phillia. Nicht alle Nosfera natürlich, aber doch so viele wie möglich. Der Ruf ging durch alle Lande, aber er wird wohl nicht jeden einzelnen Nosfera erreicht haben.«
»Und was genau soll in Phillia geschehen?«, fragte Matt. Auch wenn Jonpol noch immer nicht konkret geworden war, bereitete ihm die bloße Vorstellung, dass es an einem Ort zu einer großen Zusammenkunft von Nosfera kommen könnte, ein nicht zu leugnendes Unbehagen.
»Es geht die Kunde, dass sich die Nosfera organisieren, dass sie ein Volk werden wollen, das durch den Zusammenhalt erstarkt.«
Das klang für Matt, als wollten die Nosfera einen eigenen Staat gründen. Was das für Konsequenzen hatte, war nur allzu klar…
»Sie werden Unmengen an Blut brauchen«, sagte er und spürte plötzlich einen Kloß im Hals. Das auch im gedörrten Zustand noch tranige Siilfleisch wollte ihm nicht mehr recht schmecken. »Und da willst du ausgerechnet nach Phillia
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