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027 - Ruf des Blutes

027 - Ruf des Blutes

Titel: 027 - Ruf des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timothy Stahl
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Durch die Bewegung verschob sich seine Kapuze etwas. Morgenlicht fiel auf ein fahlgelbes Gesicht, lang und mit eingefallenen Wangen, die Augen so dunkel, dass es wirkte, als wären die Höhlen leer.
    Der Hässliche stöhnte auf, als bereite ihm das Licht Schmerzen, und zog hastig seine Kapuze zurecht. Drüben löste sich ein schwärzer Schatten vom Turm. Mit ausgebreiteten Flügeln und einem schrillen Schrei schoss er in die Lüfte. Kraftvolle Schwingenschläge trugen ihn schneller und immer schneller voran, dem flüchtenden Jungen nach. Zwei, dann drei weitere Vögel schlossen sich ihm an.
    Sie hatten den Ausreißer binnen weniger Herzschläge eingeholt, stießen kreischend auf ihn nieder und warfen ihn zu Boden. Ihre Schwingen wirbelten Staub auf, die gnädig verhüllten, was dort draußen geschah; nur die Schreie des Jungen waren zu hören.
    Aber die Vögel töteten ihn nicht. Sie brachten ihn zurück. Mit vereinten Kräften schleppten sie ihn heran, die Krallen in seiner Kleidung und wohl auch in seinem Fleisch verhakt. Als sie ihn neben den vier anderen Kindern fallen ließen, hatte er das Bewusstsein verloren. Blut lief ihm aus zahlreichen Wunden.
    Zwei der Gestalten lösten sich vom Karren, hoben den besinnungslosen Jungen auf und verfrachteten ihn auf die Ladefläche, wo er sich stöhnend und wimmernd wieder zu regen begann.
    Die Frau trat hinzu, streckte einen Finger aus und fuhr damit über eine der Wunden des Jungen. Einen Moment lang betrachtete sie die feuchte Röte auf ihrem Finger - und dann steckte sie ihn in den Mund.
    Die anderen beiden traten neben sie, der Größere legte den Arm um ihre Schulter, und beide taten es ihr nach.
    »Es stimmt eben doch«, ließ sich die Frau vernehmen. »Es schmeckt besser, wenn es in Wallung versetzt wurde.«
    Rhian spürte ein Würgen im Hals. Sie musste an sich halten, sich nicht zu übergeben.
    Das Gefährt des Sammlers erwachte brüllend zum Leben, wurde gewendet und entfernte sich, der Straße folgend.
    Den Kindern wurde bedeutet, hinter dem Ladekarren herzugehen, den die vier Vermummten zurück durchs Tor zogen. Die anderen drei folgten ihnen.
    Neben dem Tor entdeckte Rhian ein Schild. Die verbliebenen Buchstaben darauf waren nur schwer zu entziffern. Aber sie brachte es zustande. Trotzdem konnte sie sich unter den Worten nichts vorstellen:
     
    N V AD A STAT PRISON
    ***
    Nach Einbruch der Dunkelheit schlugen Matt Drax und Jonpol Sombriffe ihr Lager auf. In der Nähe murmelte ein Bach, der trübes Wasser führte, Gletschermilch, wie man das Schmelzwasser der Eisriesen nannte.
    »Lager« war freilich übertrieben. Im Grunde taten sie kaum mehr, als von ihren Reittieren zu steigen, ein Feuer zu entfachen und aus Ästen und Zweigen einen behelfsmäßigen Windschutz zu basteln. Im Stillen leistete Matt wieder einmal seinen Ausbildern in der Armee Abbitte; die Schinder hatten die neuen Rekruten nicht nur getriezt, sondern auch auf unmöglichste Situationen vorbereitet, von denen keiner geglaubt hatte, dass sie im Ernstfall je eintreten könnten. Inzwischen wusste Matt, dass es noch weit schlimmer kommen konnte…
    Am Feuer teilten Matt und Jonpol schließlich ihre Vorräte aus Trockenfleisch (auch in den Packtaschen des Rhiffalos hatte sich noch Essbares finden lassen), und der Truveer braute aus Bachwasser und irgendwelchen getrockneten Kräutern und Wurzeln eine Art Tee, der zu Matts Überraschung nicht nur angenehm roch, sondern obendrein noch viel besser schmeckte.
    Außerdem vertrieb das Getränk die Kälte einigermaßen aus den Knochen.
    Kurzum, es stellte sich ein Hauch von Gemütlichkeit ein, die Sombriffe noch veredelte: Er hatte ein Saiteninstrument, eine Art primitive Laute hervorgeholt und gab weitere Geschichten zum Besten, die man sich über die Nosfera erzählte. Sein Fundus zu diesem Thema schien unbegrenzt, was Matt nicht sonderlich wunderte - immerhin hatte es seit jeher Vampirgeschichten wie Sand am Meer gegeben. Und nichts anderes war es im Grunde, was der Truveer hier zu Gehör brachte, wenn auch freilich in Abwandlungen und mit persönlicher Note versehen.
    Trotzdem erkannte Matt den größten Teil dessen, was der Barde ihm über die Historie des »Volkes der Nacht« berichtete. Es war eine Verquickung alter Mythen über Vampire, von Geschichten a la »Dracula« bis hin zu Inhalten von Vampirfilmen und Romanen neueren Datums.
    Allerdings gestand Matt ein, dass er noch nie jemandem begegnet war, der so faszinierend, so mitreißend und

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