0270 - Die Panik der Gespensterbande
ermordet hat und dass du auch um ein Haar mit an der Reihe gewesen wärst?«
Einen Augenblick dachte Tino, dass es seinem Ansehen unter den Gleichaltrigen im Viertel nur nützen könne, wenn er diese Übertreibung bestätigte, aber dann fiel ihm gerade noch rechtzeitig ein, dass die Zeitungen bestimmt mehr bei der Wahrheit bleiben würden, also wiegte er den Kopf und sagte: »Was die Leute immer gleich reden! Der Nachtwächter ist umgebracht worden. Von einem zweiten Mann weiß ich nichts. Na, und von mir wollen wir nicht reden. Ich habe es überstanden.«
Eine solche Bescheidenheit, dachte Tino, hört sich auch verdammt gut an.
Er schielte hinüber zu seinem Freund Joe, der ihn mit großen Augen ansah.
»Du musst mir das mal ganz ausführlich erzählen«, drängte der Freund. »Wollen wir in die Werkstatt gehen?«
Die Werkstatt gehörte Joes Vater, der eine kleine Schlosserei betrieb. Gutmütig, wie Vellmar war, hatte er den'Jungs im Block erlaubt, sich abends in der Werkstatt zu versammeln, wenn sie keine Unordnung anrichteten, »Mit der Werkstatt, das ist eine gute Idee«, nickte Tino Ravelli gewichtig, denn er dachte sich schon, dass dort wohl alle Jungs des Blocks und vielleicht sogar der angrenzenden Straßenzüge versammelt sein würden.
Er fand seine Vermutung bestätigt. In der geräumigen Werkstatt hockten und standen an die dreißig Jungs. Irgendwie hatte es sich im Viertel eingebürgert, dass sowohl die jüngeren als auch die älteren Burschen ihre eigene Bande bildeten.
Als Joe mit Tino die verrußte Werkstatt betrat, kehrte jäh tiefe Stille ein. Nur ein Junge neben dem noch schwach glimmenden Schmiedefeuer brummte: »Na, da ist ja der große Held endlich. Soll ich euch was sagen? Ich kann nichts an ihm finden, was nach einem Helden aussehen soll. Er sieht so aus wie immer.«
Tino überhörte diesen leichten Angriff auf seine so plötzlich erlangte Autorität geflissentlich. Er hockte sich auf eine Kiste mit Schrauben in fast allen Größen und Arten und sagte gelassen: »Jungs, wenn ihr keine Wickelkinder mehr wärt, könnte man euch mit der Lösung einer richtigen Detektivsache beauftragen. Aber da sind ja bestimmt wieder einige, die den Mund nicht halten können.«
Ein lebhafter Protest setzte ein. Alle anwesenden Jungs versicherten auf Ehre und Gewissen, dass sie schweigen könnten wie das Grab. Tino erzählte mit den nötigen Ausschmückungen seine Geschichte und schloss mit den Worten: »Jetzt passt auf! Als die Bande reinkam, sagte einer, dass sie bis um zwei wieder aus der Bude raus sein müssten, weil um zwei der Nachtwächter angerufen werden würde.«
»Aber der konnte doch gar nicht ans Telefon gehen, und da hätte doch auch nichts passieren können!«, wandte ein geistig etwas schwerfälliger Junge ein.
»Du Trottel!«, sagte Tino. »Gerade wenn niemand an den Apparat kommt, ruft die Filiale, von der der Anruf kommt, hinterher das Polizeirevier an und bittet die Cops, mal nachzusehen, warum der Nachtwächter nicht ans Telefon geht! Das wusste die Bande! Und außerdem wusste sie, dass es Kisten mit Goldbarren in der letzten Nacht zu holen gab. Was ergibt sich daraus? Na, ihr Superdetektive?«
Tino sah sich fragend um. Rocky, der älteste unter ihnen, sagt wegwerfend: »Ist doch ganz klar! Einer von der Firma muss gepfiffen haben. Einer von euch muss mit der Bande unter einer Decke stecken!«
»Eben«, nickte Tino Ravelli ernst. »Und wenn man diesen Verräter finden kann, hat man vielleicht auch eine Spur zu der Bande. Versteht ihr? Wir müssen den Verräter finden! Ich denke, das kann nicht so schwer sein. Er wird bestimmt Geld dafür gekriegt haben. Und wenn einer Geld hat, dann gibt er es auch aus. Und darauf können wir achten. Wenn wir alle die Augen und die Ohren aufsperren, müsste es doch mit dem Teufel zugehen, wenn wir das in unserem Viertel nicht rauskriegen! Wir wissen hier besser Bescheid als manche Erwachsenen. Ich sage euch jetzt die Namen der Männer, auf die ihr ein Auge haben müsst! Aber eins merkt euch vorher: Unseren Nachtwächter haben sie umgebracht. Wenn die Bande rauskriegt, dass wir ihr nachschnüffeln, dann können wir uns freuen! Also haltet den Mund! Kein Wort zu irgendwem! Jetzt ist es kurz nach acht. Ich würde vorschlagen, dass wir mal die Kneipen in unserem Viertel ein bisschen abklappern. Um zehn treffen wir uns wieder hier. Mal sehen, wer heute die Spendierhosen anhat! Passt auf, ich sage euch die Namen der Männer, auf die wir besonders achten
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