0270 - Die Panik der Gespensterbande
der Treppe entfernt, da rief eine Männerstimme von oben: »Ruhe zum Donnerwetter!«
»S-sie!«, sagte Phil laut und mit schwerer Zunge. »Br-br-brüllen Ssssie nicht sssssooo!«
Wir marschierten weiter auf die Treppe zu. Gerade löste sich oben eine Gestalt aus dem Schatten der Eingangsnische. Aber sie blieb auf der obersten Stufe stehen.
»Verschwindet hier!«, rief er halblaut herab. »Hier ist geschlossen! Ihr kommt doch nicht rein! Also haut ab!«
Wir standen jetzt am Fuß der Treppe. Phil stieg auf die erste Stufe und stippte mir den Zeigefinger gegen die Brust.
»Ha-hast du das gehö-hört?«, lallte er. »Da oben steht einer, der denkt womöglich noch gar - gar noch womöglich - ist ja auch egal - jedenfalls dedenkt er, er ka-kann uns kommandieren! Hast du das gehört? Komm mal runter, du Na-nachtwächter!«
»Jawohl!«, rief ich energisch und stieg an Phil vorbei eine Stufe höher. »Komm her, wenn du dich traust, du Würstchen! Du willst wohl Streit haben, he? Hallo, hier will einer Streit haben!«
Ich brüllte, so laut ich konnte. Die beiden oben verständigten sich durch einen gezischten Zuruf, den wir nicht verstehen konnten. Dann kamen sie beide eilig die Treppe herab.
»Du den Linken!«, zischte ich meinerseits, während ich wieder laut hinzufügte: »Ha, da ko-kommen sie, die puritanischen Türsteher! Die türstehenden Puritaner. Die puren Türtaner-Quatsch - lalala.«
Meine Stimme erstarb in einem Gemurmel. Inzwischen hatten uns die beiden Burschen erreicht. Sie hielten beide Pistolen in der Hand. Im nächtlichen Zwielicht, an das sich unsere Augen längst gewöhnt hatten, konnten wir die Läufe matt schimmern sehen.
»Ihr verschwindet jetzt sofort, sonst knallt’s, kapiert, ihr Idioten?«, fauchte der Bursche.
»Bei drei geht’s los, trallallala!«, kicherte ich.
»Und drei!«, rief Phil.
Meine gestreckte Handkante zischte aus kurzer Entfernung herab. Ich spürte, wie sie das Handgelenk meines Gegners traf, während ich selbst eine Stufe höher sprang und mit der anderen Hand einen nicht gut genug gezielten Halsschlag anbrachte. Und im selben Augenblick krachte dicht neben mir der ohrenbetäubende Lärm eines Schusses aus einem Fünfundvierziger…
***
Gegen zehn hatte sich ungefähr die Hälfte der Gruppe wieder in der Werkstatt eingefunden.
Der Reihe nach wurden die Meldungen erstattet. Mit kühler Objektivität berichteten die Jungs, wer sich in welcher Kneipe betrunken gezeigt habe.
Zum Schluss kam der älteste Junge an die Reihe. Er kaute auf einem Streichholz herum und wartete, bis absolute Stille eingetreten war. Dann sagte er langsam: »Ich glaube, ich habe den Mann gefunden, den wir suchen, Tino.«
Tino Ravelli spürte, wie seine Stimme vor Aufregung fremd klang, als er fragte: »Wo?«
»Im Randy Handy.«
Das war der Name einer bekannten Bierkneipe jener Gegend. Die Jungs drängten sich enger zusammen.
»Und wer ist es?«, fragte Tino. »Einer von den Leuten, deren Namen ich nannte?«
»Nein«, sagte Rocky. »Ich hatte mir gleich gedacht, dass es nicht so einfach sein würde. Der Kerl heißt Steinweg. Aber er arbeitet doch bei euch, oder nicht?«
»Doch«, gab Tino zu. »Er arbeitet bei uns. Im Lager. Wie kommst du darauf, dass er es sein könnte, der mit der Gespensterbande gemeinsame Sache macht?«
»Er schmeißt eine Lage nach der anderen, was?«, fragte ein anderer Junge.
»Quatsch!«, erwiderte Rocky. »Das würde doch nur ein Dummkopf erster Güte tun. No, ich habe mir meine eigenen Gedanken gemacht. Ich habe nicht nach- Leuten Ausschau gehalten, die Runden schmeißen, sondern nach Leuten, die sich heute auffällig zurückhalten. Und dabei stieß ich auf diesen Steinweg. Ich weiß nicht, ob ihr ihn kennt, aber mein Alter kennt ihn ziemlich gut. ›Steinweg, das Großmaul‹, das sagt mein alter Herr immer. Na, und was meint ihr, was für eine Lippe Steinweg heute riskiert? Überhaupt keine. Er sitzt mit verklärtem Gesicht in der hintersten Ecke und lässt sich langsam volllaufen.«
»Ich weiß nicht«, meinte Tino Ravelli vorsichtig und sah sich dabei Beifall heischend um. »Mit so einem schwerwiegenden Verdacht muss man verdammt vorsichtig sein. Genügt es schon, wenn Steinweg mal nicht die große Klappe hat, um ihn gleich zu verdächtigen?«
»Wer hat denn gesagt«, brummte Rocky, »dass ich ihn schon verdächtigt habe, weil er sich heute Abend so auffällig zurückhält? Ich habe mein ganzes Taschengeld draufgehen lassen und eine Cola nach der anderen
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