0271 - Ghoul-Parasiten
Gefahr war, auf nasser Straße zu fahren. Der Austin vor ihm begann plötzlich zu tanzen. Aber nicht dessen Heck schwänzelte hin und her, es war Suko, der seine Maschine nicht mehr in der Spur halten konnte und deshalb dieser Täuschung erlegen war.
Viele Fahrer hätten aufgegeben und wären vielleicht trotz des großen Risikos von der Maschine gesprungen. Nicht Suko. Er kämpfte gegen die Tücken der Physik.
Als die Fliehkraft die Maschine nach links wegzog, lenkte Suko stark gegen. Er wollte die Honda in der Spur halten, doch die Fahrbahn war wie mit Seife beschmiert. Das Motorrad ließ sich nicht lenken, sosehr sich der Chinese auch bemühte, und es kam, wie es kommen mußte.
Suko ging »baden«. Auf die linke Seite geriet er. Die Schräglage wurde so schlimm, daß er mit dem Bein über den glatten Boden glitt und in eine Kreiselbewegung geriet.
Zwei, drei Umdrehungen erlebte der Inspektor mit. Er hielt noch immer den Lenker fest, wobei er wußte, daß er sich dennoch lösen mußte, um nicht mitgerissen zu werden. Wie leicht konnte die schwere Maschine ihn unter sich begraben oder gegen ein hartes Hindernis schmettern.
Suko ließ die Honda los.
Von dem Druck befreit, schmierte sie regelrecht ab, sauste über die nasse Fahrbahn, zog trotz der Feuchtigkeit noch eine Funkenspur hoch, und Suko hörte hinter sich das dröhnende Hupen und sah sich von mehreren Scheinwerfern aus- und angeleuchtet.
Er selbst nahm all diese Dinge nur am Rande wahr. Für ihn allein zählte es, daß er mit heilen Knochen die unfreiwillige Rutschfahrt überstand.
Quer über die Straße wurde der Chinese geschleudert. Er überschlug sich mehrmals. Sein Körper wurde durchgeschüttelt. Suko verlor die Orientierung.
Was die Männer in dem Austin taten, war für ihn im Augenblick uninteressant. Der Chinese war allein mit sich selbst beschäftigt und wollte, daß er ohne Verletzungen diesen Unfall überstand.
Suko war ein harter, durchtrainierter Knochen. Er hatte schon einiges überstanden. Sein Training machte sich immer bezahlt. Angst hatte Suko davor, daß die nachfolgenden Wagen nicht schnell genug stoppen konnten.
Was mit der Maschine geschah, interessierte ihn nicht. Sie war in die andere Richtung gejagt, gegen die Bordsteinkante geprallt und hatte sich durch das plötzliche Auftauchen des Hindernisses noch zweimal überschlagen.
Der Austin stand leicht schräg. Während Suko sich noch in Bewegung befand, wurde die linke Hintertür aufgestoßen.
Mister X verließ den Wagen.
Die goldene Pistole hielt er in der Hand. Seine dicken Lippen hatten sich zu einem diabolischen Grinsen verzogen. Unter der Wangenhaut zuckte es, denn der Mann wollte ein Ende machen.
Den Geisterjäger hatte er erwischt, nun wollte Mister X den zweitwichtigsten Mann aus der Welt schaffen.
Er hörte nicht auf den Schrei des Fahrers. »Komm zurück, verdammt! Los, Mann, ich…«
Mister X hetzte weiter.
Und Suko war noch immer nicht zur Ruhe gekommen. Zwar überschlug er sich nicht. Er rutschte jetzt auf dem Rücken weiter, wobei er eine Gischtspur in die Höhe schleuderte. Endlich blieb er liegen.
Trotz seiner schmerzenden Glieder richtete er sich auf und sah, daß jemand auf ihn zurannte.
Der Mann mit der goldenen Pistole!
Wie ein Gespenst tauchte er aus den Regenschleiern auf. Sein Lachen erreichte den Chinesen, der genau wußte, daß er nicht mehr schnell genug sein würde, um der gefährlichen Ladung zu entgehen…
***
Mit der Kraft der Verzweiflung hatte ich mein Kreuz aktiviert. Gegen den unheimlichen Todesnebel war es eine starke Waffe, und ich hoffte, daß es uns auch vor dieser mörderischen Säure retten würde.
Als letzte Eindrücke nahm ich Szenen mit, die Filmbildern glichen. Den erstarrt dastehenden Suko, den Mann mit der goldenen Pistole, die Neugierigen, die Fahrzeuge, und dann schienen sie von einer gewaltigen Hand weggewischt zu werden.
Alles änderte sich.
Wir schwebten.
Ich fühlte mich so leicht wie eine Feder, die vom Wind durch die Lüfte getragen wird. So mußten sich die ersten Menschen vorgekommen sein, als sie das Fliegen lernten.
So frei, so herrlich unbeschwert…Wirklich unbeschwert?
Nein, da war die Angst, die nach wie vor in mir steckte. Nicht umsonst umklammerte ich mein Kreuz, als wäre es der letzte Rettungsanker, und auch Su Danning wußte instinktiv, was die Glocke geschlagen hatte. Sie ließ das Kreuz ebenfalls nicht los.
Manchmal sah ich ihr Gesicht. Leider nicht klar. Uns schienen Meilen zu trennen,
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