0272 - Gorgonen-Fluch
zu kümmern. Die Männer huschten schnell und geräuschlos auf die LADY SHARK zu.
Zamorra und Nicole überreichten dem Capo ihre Ausweise. Dano studierte sie eingehend und nickte dann. »Zeigen Sie mir die Statue.«
Das hatte Townsend schon getan. Vorsichtig wurde der marmorne Peter Clarke auf Deck geschafft.
»Stoßt bloß nicht irgendwo an«, brüllte Dano erregt. »Heilige Madonna, daß nichts daran kaputtgeht! Was ist mit ihren Augen? Was ist denn mit den Augen der Statue?«
Zamorra horchte auf. »Sie wissen von dem Phänomen?« fragte er geradeheraus, sö gut er sich mit seinen Sprachkenntnissen verständlich machen konnte.
Dano grinste kurz. »Sie hat also geblutet«, stellte er fest. »Mann, ich glaube Ihnen jedes Wort. Das ist schon der zweite Fall in dieser Nacht… aber wir werden ja sehen. Sie werden uns zum Präsidium begleiten.«
»Der zweite Fall«, echote Zamorra. »Ich ahnte es, verdammt…«
Dano musterte ihn eingehend.
»Sie scheinen viel zu wissen, Signor Zamorra. Das macht Sie für uns noch interessanter. Und ich dachte schon, wir müßten bei diesem Fall auf der Stelle treten.«
Sie sahen zu, wie die Marmorfigur ganz vorsichtig in einen der schwarzen Polizeilancias verladen wurde, der dafür eigens bis auf den Kai rollte. Eine Menge Schaulustiger fand sich ein, der Hafen erwachte zu überraschendem nächtlichen Leben.
Zwei weitere Wagen mußten noch angefordert werden. Dann wurde die gesamte kleine Truppe zum Präsidium gefahren. Schon während der Fahrt begann Zamorra in allen Einzelheiten zu schildern, was sich abgespielt hatte. Dano wurde immer unruhiger. Schließlich schüttelte er den Kopf.
»Wenn ich darüber ein Protokolt abfasse, bin ich die längste Zeit Polizist gewesen. Mir klingelt die spätabendliche Ansprache unseres Chefs noch in den Ohren, was die erste Versteinerung angeht. Aber ich glaube Ihnen jedes Wort, Signore. Jedes Wort, Ich weiß, was ich gesehen habe. Hoffentlich schmeißen diese Idioten Ihre Versteinerung nicht auch kaputt…«
»Versteinerung… ein seltsames Wort«, sagte Nicole. »Das klingt wie nach einem Fossil, einem Fund aus der Steinzeit oder so.«
»Könnte hinkommen«, überlegte Zamorra. »Mir kommt da gerade ein Gedanke. Aber Tausende von Muschelwesen, Knochenresten, Pflanzen und Tieren sind im Laufe der Jahrmillionen versteinert. Was wäre, wenn die Gorgonen diesem Prozeß magisch nachhelfen und ihn bis ins Blitztempo beschleunigen? Daß dieser Stein-Zauber also nichts weiter ist als ein beschleunigter Zeitablauf?«
»Gorgonen? Medusa?« platzte Dano heraus, ohne auf Zamorras Überlegungen zu achten. »Los, Mann, reden Sie! Vielleicht hilft es uns weiter. Gibt es das Ungeheuer nach so vielen Jahrhunderten jetzt doch wieder?«
Zamorra schilderte seine Vermutungen. Zwischenzeitlich erreichten sie das Polizeipräsidium. Dano kochte persönlich Kaffee, den er seinen nächtlichen Gästen anbot.
Dann zeigte er ihnen Fotos von Carlo Rascani. »Den Zeugenaussagen nach trug er auch so eine Statue bei sich, wie sie Signor Clarke besessen haben soll.«
»Also sind’s tatsächlich zwei«, sagte Nicole. »Nicht nur Stheno, sondern auch Euryale ist wieder erwacht. Himmel, wie soll man sich nur vor so einem schlangenköpfigen Ungeheuer schützen?«
»Indem man den Kopf im Sand vergräbt und Vogel Strauß spielt«, sagte Zamorra gelassen. »Wenn du die Gorgone nicht siehst, kann sie dich auch nicht in Stein verwandeln.«
»Hm«, machte die Französin und nippte am heißen Kaffee. Der war ziemlich dünn geraten. Normalerweise erledigte das Danos Sekretärin, bloß war die jetzt nicht im Dienst.
»Die Statue ist also ebenso verschwunden wie die Clarkes«, überlegte Zamorra laut. »Spurlos, durch geschlossene Fenster oder Türen hindurch. Das bedeutet, sie können sich entmaterialisieren und im körperlosen Zustand reisen. Das ist wichtig.«
»Aber dann bekommen wir diese Figuren ja niemals in die Hand«, sagte Dano.
»Das bleibt abzuwarten. Aber vielleicht geht die Gefahr nicht einmal von den Figuren selber aus. Vielleicht sind sie ja nur Mittler zum Zweck.«
»Wenn ich das meinen Vorgesetzten erzähle, marschiere ich schnurstracks in die Heilanstalt.«
»Wir begreifen es ja selbst kaum«, wehrte sich Peggy. »Was wird jetzt aus Peter? Ist er wirklich tot, oder besteht noch eine Möglichkeit… ich meine, kann man ihn wiederbeleben, umwandeln oder so?«
»In der griechischen Sage ging das jedenfalls nicht«, sagte Zamorra. »Aber das ist kein
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