0272 - Um null Uhr schnappt die Falle zu
dem Knaben unter die Nase.
»Falls du lesen kannst, Freund, müsstest du entziffern können, dass wir nicht geblufft haben. Also troll dich, und ich will das Ding in deiner Hand nicht gesehen haben.«
Die Augen des Boys flackerten unsicher, aber die gleiche Stimme, die vorhin schon geschrien hatte, sie sollten sich nicht bluffen lassen, rief jetzt: »Lass dich nicht einschüchtern, Cross!«
Vor nichts hat ein Halbstarker mehr Angst als davor, für einen Feigling gehalten zu werden. Cross machte keine Ausnahme.
Er zog den Kopf zwischen die Schultern, setzte eine Grimasse auf, die drohend sein sollte und knurrte: »Wenn ich dir mein Messer bis ans Heft zwischen die Rippen gejagt habe, wirst du es nicht mehr sehen.«
Ich nahm den FBI-Ausweis in die linke Hand, machte eine Bewegung, als wollte ich ihn einstecken, aber noch in dieser Bewegung schlug ich rechts zu.
Der Haken war so blitzschnell abgefeuert, dass der Messerheld nicht die geringste Abwehr- oder Ausweichbewegung machen konnte. Der Schlag warf ihn gegen die Tür. Leider hielt er sein verdammtes Messer so fest in der Hand, dass er es nicht verlor. Ich musste nachsetzen, packte sein Handgelenk und den Oberarm, verdrehte beide und zwang ihn so, das Messer loszulassen.
»Helft mir, Jungs!«, jammerte der Held.
Sie taten es. Wie wilde Hunde fielen sie uns an. Phil deckte mich, aber er verzichtete darauf, die Pistole zu ziehen. Mit drei, vier sauberen Haken und Uppercuts brachte er den ersten Respekt bei. Unterdessen gelang es mir, Cross herumzudrehen. Ich wechselte den Griff, gab ihm Schwung und feuerte ihn, Kopf voran, in die Reihe seiner Freunde. Er riss zwei mit sich zu Boden.
Die Lederjacken stockten. Phil und ich standen zusammen im Eingang, das Gesicht den Jungen zugewandt und sahen ihnen ruhig entgegen.
Sie wussten nicht, wie sie sich verhalten sollten. Ich glaube, die meisten von ihnen wären ganz gerne fortgelaufen wie Schuljungs, die wegen einer eingeworfenen Fensterscheibe bestraft zu werden fürchteten, aber noch warteten sie darauf, was Cross ihnen befehlen würde.
Der Anführer hatte noch mit sich selbst zu tun. Er war dabei, vom Boden aufzustehen.
In diesem Augenblick öffnete sich hinter uns die Tür.
»Macht nicht solchen Krach!«, sagte eine Männerstimme.
Ich drehte mich um und blickte in das Gesicht von Stanley Worrick. Der ehemalige Wysh-Gangster zog die Augenbrauen hoch. Dann grinste er breit: »Hallo, G-man.«
»Hallo, Stan! Wir suchen Fred Further, aber ich glaube, er hat hohen Besuch.« Ich zeigte auf die Wagen. »Vertreten Sie Andrew Wysh in der Runde?«
Er lachte. »Sparen Sie sich die Blumen, G-man. Ich bin ein zu kleiner Fisch, um unter den Großen ’ne Rolle spielen zu können. Ich bin ein so kleiner Fisch, dass sogar das FBI mich laufen lässt, und das lässt bekanntlich noch nicht einmal gern einen Stichling aus dem Garn. Also muss ich noch kleiner als ein Stichling sein. Bin sicher nicht mehr als ’ne Kaulquappe, G-man.«
Er belachte seine Witze ausgiebig.
»Wenn du uns noch lange deine Kleine-Fische-Story erzählst, werde ich mich daran erinnern, dass auch ein Hai ziemlich klein ist, solange er noch jung ist.«
Er brach sein Lachen ab.
»Ich bin schon ziemlich alt, G-man, und immer noch klein. Spaß beiseite. Ich habe mir einen neuen Job bei Pat Shoeman gesucht. Von irgendetwas muss unsereins schließlich leben, nachdem ihr Wyhs Laden geschlossen habt.«
»Dir eine ehrliche Arbeit zu suchen, darauf kommst du wohl nicht.«
Er zuckte die Achseln. »Ich glaube, ich bin zu alt dazu, G-man.«
Mit einer Handbewegung zeigte er auf die Halbstarken, die in wenigen Schritten Entfernung vor uns standen und aufmerksam unserem Gespräch folgten. Auch Cross war inzwischen wieder auf den Beinen. Er rieb sich sein lädiertes Handgelenk und starrte wütend zu mir herüber.
»Hattet ihr Ärger mit ihnen?«
Ich nickte. »Ja, ein wenig. Sie waren dagegen, dass wir der Versammlung einen Besuch abstatteten.«
»Welcher?«
Worrick bückte sich und hob das Messer auf, das zwischen uns auf dem Boden lag. Er schob sich an uns vorbei, ging auf die Boys zu und blieb vor Cross stehen.
»Gehört das dir?«, fragte er und hielt ihm die Klinge unter die Nase.
Cross antwortete nicht.
»Ich habe gefragt, ob’s dir gehört?«, wiederholte Worrick. Dann holte er aus und versetzte dem Jungen eine Ohrfeige, die dessen Kopf zur Seite warf.
»Antworte!«
Der Anführer der Bande presste die Lippen aufeinander und nickte schwach. Worrick
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