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0278 - Tupilak, das Schneemonster

0278 - Tupilak, das Schneemonster

Titel: 0278 - Tupilak, das Schneemonster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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umzugehen und entschied sich vorerst dagegen. Es mußte eine andere Möglichkeit geben.
    Er sah einen jungen Mann vorüberhasten und winkte ihm herrisch zu.
    »Coyon, komm zu mir.«
    Es war Coyon anzusehen, daß es ihm gar nicht behagte. Aber dem Befehl des Schamanen folgte man für gewöhnlich. Coyon blieb vor Shinan stehen.
    »Du wirst etwas für mich tun«, sagte der Angakok.
    »Ich bin in Eile«, versetzte Coyon, aber Shinan machte eine abwehrende Geste. »Folge mir.«
    Coyon folgte ihm in seinen Iglu. Noch ehe er wußte, wie ihm geschah, fuhr Shinan herum und berührte Coyons Schläfen mit den Fingern. Er stieß einige hastige Worte hervor. Coyon erstarrte förmlich.
    Shinan besaß Macht über ihn.
    Der Schamane hatte im Laufe der Zeit die Kunst entwickelt, Menschen innerhalb weniger Sekunden zu hypnotisieren. Dazu brauchte er nur bestimmte Schaltwörter, die auf das Unterbewußtsein der Betroffenen einwirkten. Für ihn selbst war das Magie, Zauberei. Wissenschaftliche Erklärungen sparte er sich, er hätte sie auch nicht geben können. Es genügte ihm, daß alles so geschah, wie er es wollte.
    Shinan erteilte Coyon seinen Auftrag. »Danach wirst du vergessen, was du getan hast und wer es dir befahl«, sagte Shinan hart. »Du wirst dein Leben weiterführen wie zuvor und dich an nichts erinnern.«
    Coyon nickte.
    »Geh«, sagte Shinan und schnipste mit den Fingern. Der Bann brach; Coyon erwachte aus der hypnotischen Trance. Verwirrt starrte er den Schamanen an. Der drehte sich um. »Geh«, wiederholte er. »Es ist erledigt.«
    Coyon ging. Und mit ihm ging der Tod.
    ***
    Kaum trat Nicole ins Freie und richtete sich auf, als sie von der Seite gepackt und herumgerissen wurde. Ein mörderischer Schlag traf sie und raubte ihr fast die Besinnung. Sie flog in den verharschten Schnee. Wie durch Nebelschleier sah sie eine Gestalt, die sich auf sie warf.
    Ein Reflex ließ sie herumrollen. Der Angreifer strauchelte, stürzte. Nicole sah ein Messer aufblitzen. Sie konterte, blockte den Angriff mit einem Handkantenschlag ab. Aber der kam zu halbherzig. Sie war benommen.
    Der erste Hieb hatte sie bereits fast ausgeschaltet. Sie vermochte sich ihres Gegners nicht zu erwehren.
    Es gab nur noch eine Chance, dem Messerstich zu entgehen: totstellen!
    Nicole stellte sich tot.
    Sie brach zusammen, erschlaffte und hielt den Atem an.
    Der Angreifer, ein junger Inuk, verharrte mitten in der Bewegung.
    Er verzichtete auf den Stich, kniete neben Nicole. Er rollte sie mit festem Griff auf den Rücken, betrachtete sie. Krampfhaft bemühte sie sich, nicht zu atmen, obwohl ihre Lungen allmählich protestierten. Das Messer schwebte über ihr, und sie bemühte sich um einen starren Blick.
    Wenn der Bursche jetzt nach ihrem Puls tastete…
    Er tastete nicht. Er erhob sich, eine hochgewachsene Gestalt in der Dämmerung. Dann wandte er sich ab. Offenbar glaubte er, Nicole erwischt zu haben, da er keine Atembewegung mehr sah, auch keine helle Nebelfahne vor ihrem Gesicht in der Kälte. Damit gab er sich zufrieden.
    Als er sich umgedreht hatte, atmete Nicole so lautlos wie möglich aus und wieder tief ein. Sie starrte den Inuk an. Er bemerkte nichts. Die Ohrenschützer seiner Mütze verhinderten, daß er das leise Geräusch wahrnahm.
    Er wandte sich jetzt dem Iglu-Eingang zu.
    Bunte Farbschleier kreisten vor Nicoles Augen. Die Stellen, wo die Schläge des Inuk sie trafen, schmerzten. Sie fragte sich, was dieser Angriff zu bedeuten hatte. Hing es mit dem Tupilak zusammen? Wenn ja, wie? Aber einen anderen Grund konnte sie sich nicht vorstellen.
    Sie sah, wie der Mann sich dem Iglu-Eingang zuwandte, die Türfelle zur Seite schob und darin verschwand. Nicole wollte sich aufrichten, wollte einen Warnschrei ausstoßen. Aber es gelang ihr nicht.
    Die Kampfschläge ihres Gegners hatten ihr doch mehr zugesetzt, als sie erst geglaubt hatte. Die Wirkung trat erst jetzt ein. Sie brauchte nicht mehr zu schauspielern.
    Bewußtlos brach sie zusammen.
    Und niemand hatte den kurzen, harten Kampf in der Dämmerung der Nacht beobachtet!
    ***
    Ein Instinkt warnte Zamorra. Irgendwie fühlte er, daß etwas nicht stimmte.
    Zwischen Nicole und ihm gab es nicht nur das unzertrennliche Band der Liebe, sondern da war noch mehr. Und mit Nicole war etwas.
    Er zögerte keine Sekunde, seinem Gefühl nachzugeben. Oft genug schon hatte es ihm das Leben gerettet. Er fuhr herum, hieb mit den Fäusten auf die Schloßtasten des flachen Aktenkoffers, der neben dem anderen Gepäck lag.

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