0278 - Tupilak, das Schneemonster
paar Meter verschätzt.
Das war sein Fehler und wohl auch sein Ende.
Der Inuk hob die Axt mit beiden Händen, schwang sie über dem Kopf.
Das gespannte Harpunenseil verhinderte, daß der verletzte Zamorra sich zur Seite werfen konnte.
Dann fuhr die Axt auf ihn herunter!
***
Als Shinan aufschrie, löste sich die Bestie in Nichts auf.
Dröhnend lachte der unheimliche Reiter.
Shinan seufzte auf. Mühsam kam er auf die Knie, starrte den Unheimlichen an.
»Das war nur eine kleine Kostprobe meines Könnens«, sagte der Schwarze. »Das soll dir als Denkzettel reichen. Versagst du ein zweites Mal, stirbst du. Hast du verstanden, Angakok Shinan?«
Der Schamane nickte mit zusammengepreßten Lippen.
»Das, wovor du geflohen bist, war eine Illusion, ein Trugbild«, sagte der Schwarze. »Deshalb hattest du keine Macht über ihn. Aber ich kann jederzeit auch dein eigenes Geschöpf auf dich hetzen. Sieh also zu, daß du mich nicht weiter verärgerst. Nun geh und tue, was zu tun ist. Ich erwarte Erfolge.«
»Ich gehorche dir«, sagte Shinan dumpf. Er begann zu ahnen, worauf er sich mit diesem Pakt eingelassen hatte. Macht und Unsterblichkeit!
Er erfaßte, daß seine Macht niemals absolut sein würde. Sie endete da, wo die des Unheimlichen begann. Er war der Herrscher, Shinan konnte niemals mehr als sein Stellvertreter werden.
Unsterblichkeit…
Und alles hatte seinen Preis!
Shinan wollte leben. Er wollte nicht von dem Unheimlichen, möglicherweise sogar noch durch den Tupilak, getötet werden. Er mußte sich nach der Decke strecken.
»Ich werde Zamorra mit eigener Hand töten«, sagte er.
»Das wirst du nicht tun«, zischte der Schwarze. »Er soll durch den Tupilak sterben. Verstehst du nicht, warum, du Narr?«
Shinan schwieg. Er kam langsam wieder auf die Füße. Seine Knie zitterten noch vor Erschöpfung und ausgestandener Angst.
»Weil Zamorra dich besiegen kann, nicht aber den Tupilak! Oder… hast du mich da angelogen?«
»Nein«, ächzte Shinan.
»Herr!« fauchte der Unheimliche drohend.
»Nein, Herr!« keuchte Shinan gehorsam. »Ich habe dich nicht belogen.«
»Ich wollte es dir auch nicht geraten haben. Außerdem wirst du lernen, mich mit der mir gebührenden Anrede anzusprechen. Mit Herr und Ihr, nicht länger mit Du. Ich dulde es nicht weiterhin.«
»Ja, Herr. Ich habe Euch verstanden«, murmelte Shinan, der die Unterschiede nicht so recht begriff, weil es sie in seiner Sprache nicht gab.
Aber er wußte, daß er sich den Wünschen des Schwarzen fügen mußte, so verrückt sie auch waren.
»Gut. Nur wenn der Tupilak über Zamorra herfällt, kann ich sicher sein, daß Zamorra wirklich stirbt«, sagte der Unheimliche. »Nun sorge dafür! Kehre zurück ins Dorf. Ich fühle in den Gedanken deiner Stammesangehörigen, daß sie dir immer noch wohlgesonnen sind. Nutze dies.«
»Ich höre und gehorche.«
Shinan stolperte vorwärts, dem Dorf entgegen, als ihn die Stimme des schwarzen Reiters stoppte. »Du hast etwas vergessen.«
Shinan zuckte zusammen.
»Ich höre und gehorche, Herr. Bitte verzeiht. Ich muß mich daran gewöhnen.«
Der Unheimliche lachte düster. Er sah Shinan nach, der den Schneehang hinunterstolperte, seinem Dorf entgegen.
Als Shinan sich nach einer Weile umsah, war der Unheimliche verschwunden.
***
Eine Faust zuckte vor, stoppte die Axt. Gerade noch rechtzeitig, ehe sie Zamorras Schädel spalten konnte.
»Warte«, schrie Naugor und stieß den Wortführer zurück.
»Warum? Er ist ein Dämon. Wenn wir ihn nicht töten, tötet er uns.«
Naugor verneinte. Mit einem raschen Schnitt seines Messers kappte er die Harpunenschnur. Zamorra rollte sich stöhnend zur Seite und raffte sich auf die Knie hoch.
Über ihnen drehten sich immer noch die Rotorblätter des flugbereiten Hubschraubers. Zamorra schätzte die Entfernung ab. Aber es war aussichtslos.
Sie würden ihn nicht entkommen lassen, um keinen Preis…
Naugor drehte sich um, wandte Zamorra den Rücken zu. Aber allmählich setzte dessen logisches Denkvermögen wieder ein. Selbst wenn er Naugor als Geisel nahm, würden die anderen keine Rücksicht darauf nehmen… außerdem wäre es dem Inuk gegenüber nicht fair. Zamorra war sicher, daß der künftige Häuptling eine Möglichkeit gefunden hatte, ihm zu helfen.
»Er ist ein Feind des Schamanen«, sagte Naugor. »Also wird der Schamane bestimmen, was mit ihm zu geschehen hat. Versorgt seine Wunde, fesselt ihn und laßt ihn nicht entkommen. Wenn der Angakok zurückkehrt, mag er
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