028 - Die Kapuzenmaenner
heruntergefallenen Leuchter und wandte dabei Paul halb den Rücken zu. Der Wolf sprang, und Campion fiel zu Boden. Henri erschien oben an der Treppe, als sich Campion drehte und das Kreuz zwischen sich und den Wolf brachte. Sie wälzten sich über den Boden.
Kate starrte wie gebannt auf Tier und Mann. Ihr Verstand weigerte sich zu glauben, was ihre Augen sahen. Sie wollte sich einreden, daß dies nur ein Alptraum wäre, ein schrecklicher Traum, noch phantastischer gestaltet durch Henri Dillons Erscheinung: angezogen wie ein Bösewicht in einer komischen Oper, mit einem Revolver in der Hand. Dieser brachte sie in die Wirklichkeit zurück. Sie glaubte, er wolle ihn auf Campion richten, um seinen Enkel zu schützen. Sie sah sich nach einer Waffe um, sah einen Leuchter auf der Kommode und riß ihn hoch. Campion und der Wolf befanden sich jetzt zwischen Henri und ihr. Dann schlug sie dem Tier den Leuchter mit aller Kraft auf den Rücken. Es jaulte und heulte vor Schmerz.
Henri trat vor, zielte, drückte ab und schoß dem Wolf eine Kugel in den Kopf. Kate ließ den Leuchter fallen und barg ihr Gesicht in den Händen. Campion sprang auf die Füße.
„Das ist ein Trick“, schrie sie. „Jemand hat einen Wolf ins Zimmer gebracht. Wo ist Paul?“
Henri sah sie mitleidig an, ging zum Bett hinüber und deckte es auf. Das, tote Tier begann sich zu verändern, wie in einem Film, der zu schnell lief. Kate wollte sprechen, sah Campions Gesicht und blickte dann wieder auf den Wolf. Der Wechsel ging weiter, das Tier verschwand und wurde zu einem Mann. Ein nackter Körper mit Pauls Gesicht lag zusammengekrümmt auf dem Boden. Henri deckte die Steppdecke darüber.
Kate kämpfte gegen einen hysterischen Anfall. Sie weigerte sich zu glauben, was sie gesehen hatte. Campion fühlte sich zutiefst beschämt, weil Paul ihn um Hilfe gebeten und er ihm nicht geglaubt hatte. Kate weinte bitterlich. Endlich hatte sie begriffen, daß Paul tot war. Eine Welt brach für sie zusammen.
„Wo ist Valerie?“ fragte Henri.
„Unten. Sie versuchte mich davon abzuhalten, hier heraufzukommen, als sie merkte, daß Kate die Tür öffnen würde. Ich mußte sie mit dem Leuchter niederschlagen.“
„Gut“, sagte Henri befriedigt. „Bist du fertig?“
„Ja, aber ich habe noch Fragen.“
„Erst muß ich nach Valerie sehen“, sagte Henri bestimmt.
Henri wartete am Fuß der Treppe auf sie. „Eric, ich habe dir über mein Testament nicht die Wahrheit gesagt. Das meiste geht an wohltätige Institutionen, aber ich habe dir mehr als genug vermacht, damit du deine Arbeit fortsetzen kannst.“
Sie drehten sich um und erstarrten. Vor ihnen lag der bewußtlose Körper eines Wolfes in Valeries Gewand. In tiefer Trauer sah Henri darauf hinunter. Kate faßte nach dem Treppengeländer, um sich daran festzuhalten.
Der alte Mann zog seine Kutte aus, bückte sich, nahm den Revolver in die rechte Hand und drückte ab. Dann ließ er ihn fallen, wickelte den Körper in seine Kutte und begann ihn langsam hin und her zu wiegen, als die Verwandlung begann. Der Wolf begann länger zu werden, sich zu strecken, als ob er ins Leben zurückkäme. Die Nase wurde kürzer und das Gesicht langsam menschlich. Das Haar wurde weich und verwandelte sich in Valeries dunkle Locken. Ihre Augen blieben geschlossen, und nur die Kugelwunde mit dem feinen Faden Blut sowie die häßliche Brandwunde auf der Stirn zeigten, daß sie nicht nur friedlich schlief.
Henris Tränen flössen. Auch Kate weinte. Vor allem Campion trauerte, daß die letzte Handlung der Frau gegenüber, die er einst geliebt hatte, Gewalttätigkeit gewesen war. Das Wissen schmerzte.
„Was kann ich tun?“ fragte Eric hilflos und unfähig, mit der Situation fertig zu werden.
„Du kannst für uns beten“, flüsterte Henri. „Geh jetzt, Eric. In der letzten Nacht haben Stokes und ich den Ort und dieses Haus unterminiert. Sie werden in etwa einer Viertelstunde hochgehen. Geh, bevor die Behörden kommen.“
„Was ist mit den Leuten von Widderburn?“
„Ich habe sie vergiftet. Wenn die Explosion kommt, wird nichts mehr von ihnen übrig bleiben. Die Dillons mit ihren Spuren werden vom Erdboden gelöscht. Und das ist gut so.“
Campion berührte sanft Valeries Haar. „Ich kann dich doch nicht einfach so hierlassen!“
„Du mußt. Du kannst niemand erklären, was heute nacht passiert ist. Keiner wird dir glauben. Nächstes Jahr wirst du es selbst kaum mehr glauben können. Es ist der einzige Weg, die Wahrheit
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