028 - Tod in der Gespenster-Villa
Unterkunft.«
»Im Ort werden sie Zimmer finden.
Um diese Jahreszeit sind die anderen Häuser froh, jemand aufnehmen zu können.«
Sie sah ihn groß an. »Laß uns nicht hier bleiben, Vater. Bitte, versprich mir
das. Ich fühle, daß etwas Furchtbares geschehen wird. Ein so deutliches Zeichen
soll man nicht einfach übergehen und so tun, als wäre es nicht erfolgt…«
»Du warst schon immer sehr
sensibel, Glendale«, murmelte er. »Vielleicht bildest du dir etwas ein… welche
Gefahr sollte uns in diesem Haus bedrohen? Außer einem Erdbeben, einem
Erdrutsch oder einem Flugzeugabsturz direkt auf unser Anwesen kann ich mir
nichts vorstellen. Aber alle diese Dinge sind sehr vage. Du hattest einen
Traum…«
»Einen Wahrtraum. Du hast mir
selbst bestätigt, daß du solche Dinge für möglich hältst«, fiel sie ihm ins
Wort.
»Ich werde darüber nachdenken.« Er
legte den Arm um ihre Schultern.
»Es gibt nicht viel nachzudenken,
Vater. Wir sollten tun, was sie von uns verlangt…«, sagte sie in blindem
Glauben an das, was sie empfangen hatte.
»Wir müssen handeln. Sie erwartet
es von uns…« Dieses sie betonte sie besonders, schreckte allerdings
davor zurück, das Wort Mutter in den Mund zu nehmen.
»Geh auf dein Zimmer, Glendale!
Und sprich mit niemand im Haus über das, was du erlebt hast. Auch zu deinen
besten Freunden nicht. Es ist nicht einfach zu tun, was du erwartest.
Aber ich werde einen Weg finden…«
»Entscheide dich schnell!
Warnungen aus dem Jenseits sollte man nicht in den Wind schlagen«, sagte sie
mit einer Selbstsicherheit und Selbstverständlichkeit, die ihn erschreckte.
●
Als sie die Tür hinter sich zuzog,
atmete er tief durch, und die ganze Anspannung fiel von ihm ab.
Es fing also wieder an!
Schon einmal hatte es eine Krise
in Glendales Leben gegeben. Damals… vor sechs, sieben Jahren. Da mußte sie
wegen einer schwermütigen Phase von einem Spezialisten behandelt werden. Die
Gespräche seinerzeit mit dem Psychologen waren hilfreich gewesen. Dr. Landing
war damals extra aus London angereist, um Glendale nicht aus der gewohnten
Umgebung zu reißen.
Bernhard Lord of Shannon rieb die
Finger seiner rechten Hand am Daumenballen und gab sich einen Ruck.
Er war ein Mann schneller
Entschlüsse. Und wenn er merkte, daß eine Sache keinen Aufschub duldete, gab es
für ihn sowieso kein Zögern.
Er schlug ein Telefonbuch auf, in
dem er besondere Namen notiert hatte, und suchte die Nummer von Dr. Landing aus
London heraus.
●
Glendale war etwa zehn Schritte
gegangen, als ihr etwas einfiel.
Sie machte auf dem Absatz kehrt
und lief den Weg zurück, den sie gekommen war.
Wieder benutzte sie den
Hintereingang, der nur Familienmitgliedern und wichtigen Angestellten des
Hotels und des Unternehmens erlaubt war.
Sie klopfte an und öffnete
gleichzeitig wie es ihre Art war.
Auf der Schwelle stehend, hörte
sie die Stimme ihres Vaters, der laut und deutlich sprach, gegen den
Schreibtisch lehnte, ihr den Rücken zuwandte und telefonierte.
»… ich halte Ihr Kommen unter
diesen Umständen für dringend erforderlich, Doc… ich mache mir Sorgen. Sie hat
die Schrift täuschend ähnlich nachgemacht. Ich war selbst einen Moment verwirrt…«
Bernhard Lord of Shannon war so in sein Telefonat vertieft, daß er das Klopfen
und Eintreten seiner Tochter nicht bemerkt hatte. »Ich fürchte um ihren
Verstand, Doc… es gibt doch Fälle in der Psychiatrie, bei denen
Persönlichkeitsspaltungen sich auf ähnliche Weise manifestieren, nicht wahr?
Menschen übernehmen bestimmte Anlagen, glauben dieser oder jener zu sein… sie
fangen sogar an zu sprechen wie die Person, die sie zu sein glauben. Oder
bedienen sich deren Schrift. Wie Glendale… Liegt der Fall so bei ihr?«
Er lauschte einen Moment.
Glendale of Shannon hielt den Atem
an. Was der Gesprächspartner ihres Vaters sagte, konnte sie nicht verstehen.
Ihr Vater hielt sie für geisteskrank! Er nickte und seufzte. »Das können Sie so
auf Anhieb nicht sagen, natürlich nicht. Sie müßten sie sehen. Deshalb rufe ich
an. Auch mir erscheint es wichtig, daß Sie so schnell wie möglich herkommen,
Doktor Landing. Mein Wunsch mag unverschämt erscheinen, wenn ich Sie bitte,
alles andere zurückzustellen und sich ein paar Tage um Glendale zu kümmern.
Über die Höhe Ihres Honorars für diesen Dienst bedarf es keiner Diskussion.
Geld spielt keine Rolle. Es geht mir um das Wohl meiner Tochter. Kommen Sie,
ich bitte Sie von ganzem Herzen.
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