0280 - Entscheidung am Teufelsfelsen
wollte nicht akzeptieren, was er sah, aber er mußte es. Die Bàldkugel täuschte ihn nicht.
Etwas in den Felsen von Ash’Naduur war erwacht und griff in die Welt der Menschen, holte sich Opfer.
Warum?
Was hatte dieses Etwas geweckt? Etwa jener einige Zeit zurückliegende Kampf zwischen Zamorra und Asmodis, den Merlin gerade noch hatte beenden können, ehe dort Leben erlosch?
Merlin grübelte.
Und dann traf ihn die Erkenntnis. Er hatte sie lange Zeit verdrängt, hatte es nicht wahrhaben wollen und gehofft. Aber es war doch geschehen.
Blut war dort geflossen.
Zwar schwarzes Blut, aber das bedeutete nichts. Das Ungeheuerliche war geschehen. Und dieses Blut mußte der Auslöser sein.
»Nein«, flüsterte Merlin. »Es darf nicht geschehen. Ash’Naduur darf nicht erwachen… Ich muß es verhindern…«
Er stöhnte auf. Ihm blieb nicht mehr viel Zeit.
Jäh wirbelte er herum. Er mußte Gryf finden und Teri, seine stärksten und fähigsten Helfer. Sie mußten sich um Ash’Naduur kümmern, und das so schnell wie möglich…
Merlin verließ seine Burg!
***
Irgendwo, an einem nicht näher bestimmbaren Ort: Der Mann, der mit Lendenschurz und Turban bekleidet war, teilte sich, als habe man ihn der Länge nach durchgeschnitten. Von einem Augenblick zum anderen standen zwei Personen da, der eine dürr und klein, der andere groß und fett. Schwarze Augen sahen einander an.
»Ash’Naduur erwacht«, sagte der Dürre. »Etwas ist geschehen, das sich unserer Kontrolle entzieht.«
»Wir müssen eingreifen«, sagte der Große. »Oder sollen wir es dem Träger von Merlins Stern überlassen?«
»Es wäre ein Fehler. Er ist ahnungslos und könnte nur alles verderben. Wir müssen selbst eingreifen.«
»Es könnte uns unsere Existenz kosten«, warnte der Große und tastete nach seinem Turban, der leicht verrutscht war.
»Das ist unwichtig«, erwiderte der Dürre schrill. »Nicht mehr lange, und unsere Mission ist ohnehin erfüllt. Laß uns nach Ash’Naduur gehen und nach dem Rechten sehen.«
Die Unterhaltung, das Selbstgespräch, war beendet. Zwei Wesen verschmolzen wieder miteinander zu einem einzigen. Es griff nach der langen metallenen Lanze, gab sich selbst einen Gedankenbefehl und verließ diese Welt.
Doch die Felsen von Ash’Naduur sind gewaltig und ausgedehnt.
***
Seit zwei Tagen hatte der Sommer beschlossen, auf der Anwesenheitsliste zu erscheinen und tat dies mit aller Macht, um das Versäumte nachzuholen. Nicht nur im Loire-Tal herrschten nahezu tropische Temperaturen, und das russige Glasfenster, das eine ganze Wand einnahm, machte Professor Zamorras Arbeitszimmer zum Backofen. Die Klimaanlage kam da schon nicht mehr mit.
»Der hat’s gut«, murmelte Nicole und dachte an Zamorra, ihren Lebensgefährten und Chef, der sich irgendwo in Venedig herumtrieb, um seinen Dhyarra-Kristall auf der Glasbläserinsel Murano kopieren zu lassen. Die Fälschung wollte er nach Troja, in die ferne Vergangenheit, bringen und durch einen Trick den dort gefangenen Michael Ullich zu befreien. Während Zamorra Venedigs Schönheit genießen konnte, hatte Nicole genug damit zu tun, liegengebliebenen Papierkrieg aufzuarbeiten, Berichte vom Diktiergerät abzutippen und auch auf Computerband zu speichern. Teuer genug war die neue EDV-Anlage gewesen, und allmählich mußte man sie zum Einsatz bringen.
Die ganze Arbeit noch einmal! Damals, als Leonardo deMontagne das Château besetzt hielt, hatte er den Computer zerstört und jahrelange Arbeit zunichte gemacht. Nicole hätte ihm allein dafür liebend gern den Hals umgedreht.
»Ich muß hier in diesem Backofen schwitzen, und Zamorra schaut in Venedig den hübschen Minirock-Mädchen nach«, grollte Nicole unzufrieden, schaltete Diktiergerät und Computerterminal aus und erhob sich. Feierabend für heute, auch wenn es erst früher Nachmittag war.
Château Montagne lag am Hang. Der war hier nicht sonderlich steil, und auf der Rückseite des Haupttraktes befand sich, halb ins Haus ragend und halb im Park, im Winter oder bei schlechtem Wetter durch eine Kunstglaskonstruktion schwenkbar überdacht und geschützt, der Swimmingpool. Es konnte nicht schaden, im kühlen Wasser ein paar Runden zu drehen und sich zu erfrischen, beschloß Nicole, schleuderte Netz-Shirt und Shorts von sich und huschte durchs leere Château hinaus zum Pool.
Das Wasser tat ihr gut. Zusehends erholte sie sich und überlegte, ob sie den Rest des Tages mit ausgiebigem Sonnenbad verbringen sollte oder mit einem
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