0280 - Turm der weißen Vampire
bestand praktisch aus einem Muster.
Das Tier mußte schrecklich geblutet haben, als es von dem Vampir angegriffen wurde, und der rote Lebenssaft hatte sich auf der weißen Kleidung verteilt.
Das Gesicht war noch so geblieben. Eine schaurige Fratze, zumeist kalkig weiß, aber mit blutrot geäderten und unterlaufenen Augen. Dazu ein aufgerissener Mund und lange Zähne, die ebenso rötlich an den Spitzen schimmerten wie die Umrandung des Mundes.
Ein Bild zum Fürchten, zum Erschrecken, und Ruth verlor noch mehr von ihrem Mut.
»Das ist er«, hauchte sie und zitterte. »Ein weißer Vampir!«
Der Mönch sagte nichts. Wie ein Fels stand er und hielt sein Kreuz erhoben, während der Blutsauger gefährlich knurrte, seine weißen, knochigen Hände bewegte und langsam näher kam.
Seinen ersten Durst hatte er an einem Tier gestillt, aber er wollte kein Tierblut, sondern das eines Menschen. Nur dieser besondere Saft allein gab ihm die Kraft, sein unseliges Leben weiterzuführen.
Der Mönch ließ ihn kommen.
Er vertraute auf die Macht des Kreuzes, und er dachte an seinen Freund Pater Robanus, der den schrecklichen Blutsaugern nicht nur getrotzt, sondern sie auch verbannt hatte.
Weshalb sollte ihm nicht das gleiche gelingen?
Leider befand er sich nicht allein. Er hatte noch eine Verantwortung übernommen, denn die Frau durfte keinesfalls zu einem Opfer der Vampire werden.
Ignatius überlegte. Es dauerte Sekunden, bis er zu einem Entschluß gelangt war. »Bleiben Sie hier stehen«, sagte er zu Ruth.
»Und Sie?«
»Ich werde ihn vernichten!«
»Aber Sie…«
»Kein Wort mehr!« zischte Ignatius. »Beten Sie, und drücken Sie mir nur die Daumen.«
»Das mache ich.«
Der Pater ging vor. Das Kreuz hielt er in der rechten Hand. Schon oft genug hatte er darauf vertraut, es würde ihn auch diesmal nicht verlassen, dessen war er sicher. Hier hatte er nicht ein Wesen wie den alten Fairbanks vor sich, sondern einen normalen Vampir, der durch ein Kreuz vernichtet werden konnte.
Auch Ruth schaute zu. Wie der Pfarrer, so konzentrierte sie sich auf den einen Vampir und vergaß dabei, daß es ja sieben waren, die irgendwo lauerten.
Und der zweite hatte das Dach eines Hauses erklommen. Dort hockte er jetzt und schob sich noch ein Stück weiter vor, um nach unten zu schauen.
Hätte Ruth jetzt nach oben gesehen, wäre ihr bestimmt das bleiche Gesicht aufgefallen, das sich über die Dachrinne schob und eine schreckliche Fratze war.
Der Vampir hockte zusammengeduckt und klammerte sich fest.
In seinen Augen leuchtete die Gier. Er schaute direkt auf die Frau mit den roten Haaren.
Der Vampir auf der Straße aber wich zurück. Jetzt hatte er das Kreuz gesehen, das der Pater so hart umklammert hielt. Er wußte um die Wirkung und bekam Angst.
Aus seinem Maul drang ein Fauchen. Sein Gesicht verzog sich noch mehr, so daß es zu einer Fratze des Schreckens wurde. Er wollte wieder zurück und sich in irgendeinem Haus verstecken.
Sein Gang war wankend, taumelig, doch der Father Ignatius ließ ihm keine Chance. Er wollte das erste Exempel durchführen.
Im gleichen Augenblick richtete sich ein zweiter Vampir auf dem Dach auf. Dies geschah langsam, fast wie im Zeitlupentempo. Seine Arme streckte er vor. Er brauchte diese Haltung, um das Gleichgewicht zu halten.
Nicht nur Menschen, auch Vampire mußten mit der Tücke des Objekts kämpfen. In diesem Fall war es die Dachrinne. Nicht mehr sehr stabil, bog sie sich durch, als sie das Gewicht des Vampirs spürte. Sie knarrte häßlich, ein Geräusch, das auch Ruth Thompson auffiel.
Und aufschreckte!
Instinktiv tat sie genau das Richtige. Sie kreiselte auf der Stelle herum und schaute auch nach oben.
Da sah sie die Gestalt!
Der Vampir hatte sich aufgerichtet, um auf sein Opfer zu springen. Dabei glitten auch seine Arme in die Höhe. Er sah aus wie ein menschliches Flugzeug. Das Gesicht und die Augen zielten steif und starr auf Ruth Thompson.
Dann stieß er sich ab.
Im freien Fall jagte er auf Ruth zu, und er war bereit, seinen schrecklichen Trieb zu stillen, doch auch Ruth reagierte. Sie blieb nicht auf dem Fleck stehen, sprang einen Schritt zur Seite, riß ihr automatisches Gewehr hoch und drückte ab.
Zweimal peitschten die Schüsse auf. Die Klänge hörten sich an wie einer. Echos schwangen über das Land, wetterten auch zwischen den Hauswänden, und die Frau sah, daß der fallende Vampir von zwei Kugeln getroffen wurde.
Es waren hämmernde Einschläge. Die Geschosse wühlten sich in
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