0280 - Turm der weißen Vampire
dunklen Finger in den bleifarbenen Himmel ragen.
Den Pater und Ruth Thompson konnten wir nicht erkennen.
Links von uns passierten wir einen Steinwall. Die einzelnen Brocken waren übereinandergeschichtet worden und markierten den Weg.
Es ist schon ein komisches Gefühl, über eine fast menschenleere Insel zu wandern. Vielleicht wäre das Gefühl anders gewesen, hätte es nicht die Vampire gegeben. So aber mußten wir immer mit einem versteckten Angriff rechnen.
Kurz vor dem Eingang zur Burg hörte der Steinwall auf. Dafür wuchsen Büsche. Sie hatten sich so weit ausgebreitet, daß sie sogar den Weg bedeckten.
Ohne irgendwelche Schwierigkeiten betraten wir den Innenhof der Burg. Dort blieben wir zunächst stehen und schauten uns um.
Linker Hand breitete sich der Haupttrakt aus. Wir sahen mehrere Eingangsportale, davon war eins besonders groß. Als wir näher gingen, erkannten wir Fußspuren im Staub der allmählich vermodernden Treppe.
»Dann gehen wir mal rein«, schlug ich meinem Freund vor und nickte.
Nebeneinander betraten wir eine gewaltige Halle, die leergeräumt war und deshalb so kalt, nüchtern und auf irgendeine Art und Weise auch beklemmend wirkte.
Suko schüttelte den Kopf. »Hier möchte ich nicht begraben sein«, meinte er.
»Wenn du dich vorsiehst, lebst du noch ein paar Tage.«
»Hoffen wir es.«
Wir trennten uns. Ich nahm mir die linke Seite der Halle vor, Suko die rechte.
Einige Türen zweigten ab. Manche so breit, daß schon ein kleiner Lieferwagen hindurchfahren konnte.
Ich hatte mehr Glück als mein Freund und fand einen Zugang zu den alten Kellergewölben.
Durch einen Pfiff lockte ich Suko herbei.
»Was ist denn?«
»Da geht es in den Keller«, erklärte ich ihm und deutete nach vorn. Wir erkannten eine Treppe, die mit allerlei Schutt bedeckt war. Um besser sehen zu können, mußten wir unsere Lampen einschalten. Keine Bleistiftleuchten, sondern lichtstarke Taschenlampen, deren gelbe Finger schräg in die Dunkelheit stachen.
Geduckt marschierten wir los.
Der Atem einer alten, längst vergessenen Zeit wehte uns entgegen. Er brachte auch eine Botschaft mit. Sie roch nach Verwesung, Tod und Vergänglichkeit.
Vorsichtig kletterten wir über die im Weg liegenden Hindernisse hinweg. Es bestand leider die große Gefahr eines Fehltritts, und wir mußten höllisch achtgeben, um nicht auszurutschen oder mit dem Geröll zusammen in die Tiefe zu stürzen.
Rechnen mußte man mit allem.
Unter unseren Schuhen knirschte und knackte es. Die kleinen Steine wurden zerdrückt, Staub wallte hoch und setzte sich unangenehm auf unseren Nasenschleimhäuten fest.
Zudem sahen wir die Spuren der Vampire. Vor uns mußten ebenfalls Personen die Treppe hinabgegangen sein. Auch strich uns aus dem Verlies oder Keller ein Hauch entgegen, den ich als gefährlich einstufte. Suko hatte die gleiche Erfahrung gemacht wie ich. Er drehte den Kopf und hauchte: »Vielleicht lauern sie auf uns…«
Je tiefer wir kamen, um so unheimlicher wurde die Szenerie. Die Mauern noch älter und feuchter, die Decke niedriger. Beide mußten wir uns bücken, als wir das Ende der Treppe erreichten.
Es führte nur in eine Richtung weiter. Und die brachte uns in das schreckliche Zentrum der Burg. Hier lagen die Verliese der Folter, die Kammern der Schreie, der Tränen, der Verzweiflung.
Die gelben Lichtlanzen zeigten alles sehr deutlich. Auch die wallenden Staubwolken, die sich durch die schmalen hellen Tunnels wälzten, konnten diesen Eindruck nur wenig schwächen.
»Wenn sie sich versteckt halten, dann nur hier unten«, sagte Suko flüsternd.
Ich hörte seine Worte kaum, hatte mich abgedreht und verschwand wie ein Schemen im Dunkel des Ganges.
Fast stolperte ich über die Särge. Unter einem Durchbruch war ich hergegangen, hatte ein Verlies entdeckt, das aufgebrochen worden war, und sah auch die Särge.
Sieben an der Zahl!
Und sieben weiße Vampire waren es, die den Turm verlassen hatten, um das Unheil zu verbreiten.
Tief atmete ich ein. Dicht hinter dem Eingang blieb ich stehen und ließ die Lampe kreisen.
Die Särge standen nicht nebeneinander, sondern kreuz und quer.
Fast sah es aus, als hätten die Vampire ihre Totenkisten fluchtartig verlassen. Anders konnte ich mir die drei umgekippten Särge nicht erklären. Hatten die Blutsauger eventuell Angst gehabt? Oder waren sie einfach nur geweckt worden?
Aber durch wen? Und von wem?
Ich dachte wieder an den alten Fairbanks, den Führer des Clans.
Ihm hatte ich die
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