0281 - Shimadas Mordaugen
der sich das blaue Auge nennt. Behalte diesen Namen gut, denn wenn du in gnadenlose blaue Augen siehst, dann weißt du, daß er vor dir steht. Sie sind nicht wie die Augen des Dämons Belphégor, sondern viel dunkler, weniger kalt, aber erbarmungsloser und auch grausamer, denn diese Augen töten. Ihre Blicke lassen Menschen zusammenschrumpfen. Und noch eins möchte ich dir sagen: Man nennt ihn auch den Herrn der 1000 Masken. Dies nicht von ungefähr, denn er tritt oft genug verkleidet auf, so daß ihn so leicht niemand erkennt…«
Plötzlich war die Stimme schwächer geworden, und Shao sprang auf.
Sie nahm auch die Hände von ihrem Gesicht weg, schaute nach vorn und bekam mit, wie die gleißende Helligkeit innerhalb der Spiegelfläche allmählich verschwand.
Die Sonnengöttin zog sich zurück.
Shao streckte ihre Arme aus. Zwischen ihnen und den gespreizten Händen schaute sie hindurch, sah den Spiegel und rief verzweifelt den Namen der Sonnengöttin.
Noch einmal bekam sie Antwort. »Vorsicht, Shao, ich will dich nicht auch noch verlieren. Gib acht… sehr stark… die lebende Legende… Shimada…«
»Bleib!« rief die Chinesin. »Bitte…«
»Zu schwach. Die magische Verbindung bricht zusammen. Die Brücke zwischen uns fällt…«
Und kaum war Shao das letzte Wort entgegengeweht, da stand sie wieder inmitten ihrer normalen Welt. Sie sah das Bad, die Dusche, die Vorhänge, das Fenster, die Kacheln…
Nichts wies darauf hin, daß eine uralte Mythologie aus längst vergessener Zeit in die Gegenwart übergegriffen hatte. Doch in dieser Zeit würde man die alten Dinge sowieso nicht begreifen.
Shimada und Xorron!
Diese beiden Namen wirbelten durch Shaos Kopf, als sie mit zitternden Knien das Bad verließ. Sie lief in den Wohnraum und dachte mit Schrecken daran, was passieren würde, wenn sich die beiden Giganten Schwarzer Magie gegenüberstanden. Sollten Menschen zwischen die Fronten geraten, war ihr Tod schon vorprogrammiert. Man mußte alles tun, um dieses zu vermeiden.
Das Telefon stand in greifbarer Nähe, und Shao wählte mit flinken Fingern die Nummer von Scotland Yard…
***
Ich war noch nie in einer Peep-Show gewesen und wußte nur aus »Berichten«, wie es dort aussah und zuging. Auf einer kreisenden Fläche produzierten sich die Mädchen und wurden von den Männern angestarrt, die in ihren Kabinen standen. Man mußte Geldstücke einwerfen, dann hob sich eine Klappe, und der Blick der gaffenden Kerle war frei.
So einfach lief das.
Die schrillen Schreie waren von den Mädchen ausgestoßen worden. Sie hatten ihren Aufenthaltsraum verlassen. Ich sah die blonde Fanny und konnte über ihre Schulter hinweg auf die Scheibe schauen. Sie befand sich etwas erhöht, war mit einem roten Bezug überzogen worden, und auf umstanden keine Mädchen, sondern zwei seltsame Gestalten, die aussahen wie Schatten, so schwarz, so huschend, wobei sie mit Schwertern bewaffnet waren und diese gegen die Sichtfenster der Kabinen hämmerten. Deshalb hatten wir auch das Klirren gehört.
Suko und ich stürmten vor.
Mein Partner nahm sich den linken der beiden vor, ich kümmerte mich um den rechten.
Ein Schwert hatte ich nicht, mit dem ich mich hätte verteidigen können, das war auch nicht nötig, denn die beiden Gestalten wieselten davon.
Ich konnte nicht so schnell schauen, wie sie plötzlich verschwunden waren. Wie aufgelöst, so daß wir, wie vom Donner gerührt, dastanden und uns anschauten.
»Habe ich das geträumt?« fragte Suko.
»Wohl kaum, die waren echt.«
»Verdammt, aber wo kamen sie her?«
Eine gute Frage, auf die ich auch keine Antwort wußte und nur die Glasscherben sah, die auf dem Boden lagen und glitzerten, wenn sie von einem Lichtstrahl getroffen wurden.
»Hast du sie gesehen?«
Suko hob die Schultern. »Sicher, du ja auch.«
»Ich meine genauer.«
»Schwarze Gestalten mit Schwertern. Männer waren es, aber ich sah keine Gesichter.«
»Genau das ist mir ebenfalls aufgefallen«, erklärte ich und dachte nach.
»Wieso sahen wir keine Gesichter? Welchen Grund gab es? Kannst du mir das verraten?«
»Nein, vielleicht hatten sie keine.«
»Aber Schatten waren es nicht. Ich meine damit so Wesen wie aus dem Reich des Spuks. Die waren schon existent. Nur - wie konnten sie auf einmal verschwinden?«
»Frag mich was Leichteres«, sagte Suko und setzte zu einem Gang rund um die Scheibe an. Ich blieb in der Mitte hocken. Eines seltsamen Gefühls konnte ich mich nicht erwehren. Schon jetzt empfand ich es
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