0282 - Amoklauf der Amazone
sehr mit Mythen und Sagen verwoben. Hinter dieser Sache konnte nur die Macht der Götter stehen.
»Wir sahen es, ohne eingreif en zu können, hohe Gebieterin!« erklärte das Mädchen, das Atalante gerufen wurde. »Zauberkräfte lähmten unsere Kräfte und unsere Stimme. Doch ich bin sicher, daß uns die Gefangene erzählen kann, wohin die Pferde gebracht wurden.«
»Daran habe ich auch gedacht!« nickte die Amazonenkönigin und ging wieder zum Feuer. Als sie das kurze Schwert, das sie bis zum ersten Drittel der Klinge in die Glut gesteckt hatte, hervorzog, ahnte Sandra Jamis, was nun kommen mußte.
Ihr ganzer Körper begann zu zittern, wenn sie daran dachte, daß man sie mit dem rotglühenden Eisen zum Reden bringen wollte.
»Du sprichst unsere Sprache?« fragte Penthesilea und baute sich breitbeinig vor der gefesselten Sandra auf. Das halbnackte Mädchen schluckte und konnte nur noch nicken.
»Wo sind unsere Pferde?« fragte die Amazone scharf.
»Bei den Griechen!« erklärte Sandra Jamis und versuchte, ihrer Stimme einen gleichgültigen Klang zu geben. »Es ist Kriegsbeute. Warum habt ihr keine Wächter aufgestellt, die das Auge und das Gehör einer Eule haben?«
»Du bist mutig, Mädchen!« sagte Penthesilea. »Doch bei deinen Wortçn solltest du bedenken, daß wir dir die nächsten Augenblicke sehr unangenehm gestalten können. Antworte genau! Was war es, das meine Kriegerinnen niedergeworfen hat?«
»Die Macht des Zeus war es!« suchte sich Sandra Jamis die Worte in griechischer Sprache zusammen. »Der Blitz des Zeus. Doch deine Kriegerinnen wurden begnadigt, weil die Söhne der Götter nur die Pferde, nicht ihr Leben haben wollten !«
»Söhne der Götter!« fauchte Penthesilea. »Auch ich nenne Ares, den Gott des Krieges, meinen Vater. Warte, ich werde dich lehren, mir die Wahrheit zu sagen. Gleich…!«
Sandras Augen wurden immer giößer, als sie die rotglühende Klinge langsam näher an ihren Körper herangeführt sah. Die Amazonenkönigin kostete jeden Moment aus, den das Mädchen in Furcht vor der Glut zitterte.
Warum, zum Donnerwetter, regnete es jetzt nicht und löschte die Glut des Metalls? Sandra Jamis betete verzweifelt um ein Wunder.
Die Hitze des Metalls waberte ihr entgegen und ließ den Schweiß auf ihrer Haut zur kochenden Lava werden. Doch Sandra wußte, daß dies nur ein Vorgeschmack des Schmerzes war, der ihren Körper durchrasen würde, wenn Penthesilea das glühende Schwert langsam über ihren Körper strich.
Verzweifelt, mit aller Selbstverleugnung, setzte das hübsche Mädchen alles auf eine Karte. Mit aller Kraft spuckte es aus und traf die Glut des Schwertes.
Die Amazonen stießen Angstrufe aus. Penthesilea fauchte wie eine Wildkatze und wurde totenbleich.
»Töte mich!« stieß Sandra Jamis hervor. »Töte mich rasch!«
»Du hast mich verspottet. Du hast mein Schwert entweiht!« fauchte die Amazone. »Was bist du? Eine Göttin oder eine Sterbliche?«
»Eine… eine Kriegerin!« erklärte Sandra Jamis gepreßt.
»Schon möglich, daß du eine Kriegerin bist!« nickte Penthesilea »Du hast es geschafft, Boreas, mein Schlachtroß, zu zwingen, das stets nur mir willig den Rücken bot. Und du hast den Mut, die Ehre über den Schmerz zu stellen. Daher darfst du im Kampf sterben. Ich selbst werde es sein, die dir den Tod gibt. Denn mir hast du das Schwert besudelt. Binde sie los, Atalante. Und ihr, meine Kriegerinnen und Freundinnen, bildet einen Kreis um uns, daß sie nicht aus Angst und Todesgrauen entfliehen kann!«
Sandra Jamis atmete auf, als zwei Amazonen auf sie zukamen und mit scharfen Bronzedolchen ihre Fesseln durchtrennten. Doch bevor sie sich frei bewegen konnte, hatten die beiden stämmigen Frauen das grazile Mädchen wieder ergriffen und führten es zu einem Kreis, den ungefähr hundert Kriegerinnen bildeten, die ihre Schilde vor ihren Füßen abstellten und mit angelegten Speeren dafür sorgten, daß Sandra Jamis keinen Fluchtversuch unternehmen konnte.
Halb geduckt kam Penthesilea auf sie zu. In jeder Hand hielt sie eine mannshohe Lanze. Sonst war sie unbewaffnet.
In ihren Augen glühte es. Instinktiv wich Sandra Jamis etwas zurück. Allen Mut mußte sie zusammennehmen, um nicht herumzuwirbeln und das Heil in der Flucht zu suchen. Doch die Kriegerin warf die Lanze bestimmt mit tödlicher Genauigkeit.
Wenn Sandra weiterleben wollte, mußte sie den Kampf aufnehmen. Sie ließ sich weder vom wilden Feldgeschrei der Amazonen beeindrucken noch von den
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