0282 - Frühstück in der Todeszelle
wer John Keys Mörder gewesen sei und wer den Auftrag dazu gegeben hatte.
Da zu dieser Zeit gerade einmal wieder einer der vielen Anschlüsse des Senats zur Bekämpfung des Gangsterunwesens tagte, gaben wir diesem einen Tipp, und ich konnte es mir nicht verkneifen, anzuregen, dass man einmal Big Wade Ross in die Zange nehmen sollte. Der Kerl war uns schon lange ein Dorn im Auge, ohne dass wir ihm etwas nachweisen konnten. Er hatte mit Keys Streit gehabt, und wir wussten, auf welche Art Gangsterbosse ihre Streitigkeiten auszutragen pflegen.
Ross wurde auch vorgeladen und erschien in Begleitung zweier Anwälte. Er trumpfte gewaltig auf, und der Effekt war, dass sich der Vorsitzende des Ausschusses höflichst bei ihm entschuldigte, weil er ihn belästigt hatte.
Im Übrigen tat sich so gut wie nichts. In der noch vor einigen Monaten so lebhaften Gegend der Bronx war es still geworden. Das Einzige, was mir zu denken gab, war, dass der Lebensmittelhändler Philip Reighly, der seinerzeit seinen Laden verpachtet hatte und selbst auf Reisen gegangen war, immer noch durch Abwesenheit glänzte. Wenn alles in Ordnung gewesen wäre, so hätte er längst zurück sein müssen.
Wieder vergingen vierzehn Tage, und dann war es Louis Thrillbroker von der Morning News, der, von seinem Reporterehrgeiz getrieben, die Katze aus dem Sack ließ und damit den Stein ins Rollen brachte. Als ich mir am Morgen des 2. August auf dem Weg zur Office das Blatt kaufte und die Schlagzeilen auf der ersten Seite sah, war ich so verblüfft, dass ich an die Bordsteinkante fuhr und stoppte.
NANCY BLACK AUF DEM RÜCKWEG IN DIE STAATEN!-GANGSTERBRAUT KEHRT REUIG ZURÜCK!
Nancy Black, die schwarzhaarige Schönheit aus Oklahoma und einstmals die Freundin von Cherry Nose, Joe Adonis und zuletzt John Keys, der am 19. März im Vorraum des Russian Bear von einem unbekannten Gangster niedergeschossen wurde, verschwand noch am gleichen Tag spurlos. Sie wurde, wie allgemein bekannt ist, vom Geheimdienst des Finanzministeriums gesucht. Da Nancy Black über Informationen verfügt, die für die Bundespolizei von größtem Wert sind, wurde ihr das Angebot gemacht, das Verfahren wegen Steuerhinterziehung niederzuschlagen, wenn sie zurückkomme und bereit sei, auszusagen und die in ihrem Besitz befindlichen Unterlagen an das FBI auszuhändigen.
Obwohl diese Verhandlungen unter strengster Geheimhaltung geführt wurden, ist einiges durchgesickert. Selbstverständlich wird Nancy Black unter einem Decknamen reisen und nach ihrer Ankunft unter schärfstem polizeilichem Schutz stehen.
Wir hoffen nur, dass das Geschäft, das die Behörden zu Lasten des Steuerzahlers mit ihr abgeschlossen haben, den gewünschten Erfolg bringt.
Ich warf die Zeitung neben mich auf den Sitz und machte, dass ich ins Office kam. Ich glaubte nicht so ganz an Louis Thrillbrokers Schauernachricht, denn ich selbst hatte nichts davon gehört. Und das hätte ja eigentlich der Fall sein müssen.
»Mister High möchte dich sofort sprechen«, empfing mich einer meiner Kollegen.
Der Chef saß hinter seinem Schreibtisch.
»Setzen Sie sich, Jerry.«
Phil kam im gleichen Augenblick, und wurde ebenfalls aufgefordert, Platz zu nehmen.
»Haben Sie die heutige Morning News schon gelesen?«, fragte Mister High. , »Ja«, sagten wir beide wie aus einem Mund.
»Ich habe soeben ein Telefongespräch mit Washington geführt, das den Bericht im Wesentlichen bestätigt. Ich habe den Herren bereits die schwersten Vorwürfe gemacht dass sie uns nicht vorher um Rat gefragt oder wenigstens unterrichtet haben. Es wurde mir jedoch geantwortet, der Geheimdienst des Finanzministeriums habe darauf bestanden, dass die Angelegenheit nur auf höchster Ebene behandelt werde. Die Herrschaften trauten uns offenbar nicht. Nun haben wir den Salat.«
Nur ein leises Vibrieren in der Stimme unseres Chefs verriet, wie ärgerlich er war.
»Und was jetzt?«, fragte ich. »Genauso gut wie die Morning News das erfahren hat, werden auch die beteiligten und interessierten Gangsterbosse schon längst im Bilde sein.«
»Das ist auch meine Ansicht«, sagte Mister High. »Das Übelste an der ganzen Sache aber ist, dass die Herrschaften in Washington versuchen, die Verantwortung auf uns abzuwälzen. Nancy Black kommt bereits morgen Vormittag um neun Uhr unter den Namen Alice Jamison mit dem Dampfer Liverpool, der Cunnard Line an. Dieser wird am Pier 90 in Hudson festmachen. Wir haben den Auftrag, von dem Augenblick der Ankunft des Schiffes
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