0282 - Frühstück in der Todeszelle
oder lasen Zeitung.
Um acht Uhr dreißig kam über Funk die Nachricht, dass die Liverpool die Freiheitsstatue passiert habe und langsam, von Schleppern begleitet, den Hudson heraufkam. Sie würde also pünktlich festmachen.
Um acht Uhr vierzig sahen wir das Schiff mit der Flagge der Cunnard Line den Fluss hinaufkommen. Die Liverpool wurde von vier Schleppern gezogen und vorsichtig zwischen Pier 90 und 92 manövriert.
Die Passagiere standen an der Reling und winkten den zahlreichen Freunden und Bekannten zu, die zu ihrem Empfang erschienen waren. Die Bordkapelle spielte, und dann wurde die erste Trosse geworfen und von geübten Händen vertäut. Zehn Minuten später lag der mächtige Schiffsleib fest und sicher am Kai.
Die Fallreeps wurden ausgeschwungen, und zusammen mit ein paar Vertretern der Schifffahrtslinie betraten wir das Deck.
Dem dritten Offizier, der uns pflichtgemäß anhielt, zeigte ich in der hohlen Hand meinen FBI-Stern.
Er schaltete und nickte. So entgingen wir langatmigen Erklärungen.
Während ich in der Nähe des Fallreeps stehen blieb, fragte Phil nach dem Purser, um zu erfahren, wo er Miss Jamison finden könne.
Ich fürchtete schon, das Schiff werde für Besucher freigegeben, als er, und zwar diesmal im Laufschritt zurückkam.
»Es ist schief gegangen«, sagte er hastig. »Der Purser sagte mir, dass Miss Jamison bereits auf der Höhe von St. George das Schiff in einem Motorboot des FBI verlassen habe. Das Boot kam, kurze Zeit nachdem die Einwanderungsbehörde und Zolloffiziere zugestiegen waren, an. Es kamen zwei Beamte an Bord, die sich auswiesen und sagten, sie hätten Auftrag, die Dame abzuholen. Miss Jamison wurde gefragt und erklärte, es sei in Ordnung. Einer der Leute sagte, er werde dafür sorgen, dass das Gepäck durch den Zoll geschleust wurde. Das ist jetzt mehr als eine Stunde her.«
»Sollten die Herren in Washington es sich anders überlegt haben, und ohne uns zu benachrichtigen, die Frau von Bord geholt haben?«, fragte ich zweifelnd.
»Das können wir sofort erfahren.«
Wir beeilten uns und riefen von unserem Wagen aus das Office an.
»Ich frage sofort in Washington nach«, versprach Mister High. »Blasen Sie die ganze Aktion ab und kommen, hierher. Sobald ich Bescheid weiß, rufe ich durch.«
Es dauerte genau sieben Minuten. Gerade als wir den Broadway überquerten, 34 kam der Anruf. »Washington weiß von nichts«, sagte Mister High. »Es ist auch von dort niemand beauftragt worden, in der Angelegenheit etwas zu tun, außer uns.«
»Das heißt also, dass Nancy Black in die Hände der Bosse des Syndikats gefallen ist.«
»Wahrscheinlich. Aber es wäre ja immerhin möglich, dass sie selbst ein Arrangement getroffen hat, um vorläufig uns als auch den Gangstern zu entgehen. Es könnte sogar sein, dass die Liverpool, wie das ja manchmal geschieht, unterwegs durch Hubschrauber mit Zeitungen versorgt wurde, und sie dadurch erfuhr, dass ihr Geheimnis verraten sei. Fahren Sie sofort zur Liverpool zurück und informieren Sie sich, ob gestern Zeitungen angekommen seien und ob Miss Jamison ein Telegramm auf gegeben oder ein Funkgespräch geführt hat.«
»Okay, Chef«, antwortete ich, und jetzt ging es mit Rotlicht und Sirene die 50. Straße hinauf.
Wir brauchten ja keinerlei Rücksicht mehr zu nehmen.
An Bord erfuhren wir, dass am Vortag zwar Zeitungen angeflogen worden waren, sich darunter aber keinesfalls die Morning News befunden hatte. Dagegen hatte Miss Jamison ein Telegramm erhalten, aber selbst keines abgesandt und auch nicht telefoniert. Den Wortlaut des Telegramms erfuhren wir von dem Funk-Offizier.
alice jamison an bord m. s. liverpool umständehalber werden sie von staten island aus mit barkasse abgeholt stopp bitte bereithalten stopp fbi Washington.
Wir ließen uns eine Abschrift geben und machten, dass wir wieder zum Office kamen. Natürlich stammte der Funkspruch nicht von Washington. Man konnte ja auf jedem Postamt ein derartiges Telegramm aufgeben. Darum also hatte Nancy Black Bescheid gewusst und keine Schwierigkeiten gemacht.
Jetzt war der Teufel los. Schließlich stellte sich heraus, dass ein falscher G-man beim Zollamt erschienen war und das Gepäck mitgenommen hatte.
Die Lage war also die, dass nicht nur Nancy Black, sondern auch ihre Koffer sich höchstwahrscheinlich in den Händen des Syndikats befanden und in diesen Koffern würde sie wohl auch die bewussten Unterlagen, das Tagebuch von John Keys und ihre eigenen Aufzeichnungen mitgebracht
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