0282 - Frühstück in der Todeszelle
haben.
Jetzt, da es zu spät war, übertrug uns Washington sämtliche Nachforschungen. Ein Funkspruch ging an Scotland-Yard, und innerhalb von einer Stunde erhielten wir bereits die Antwort, dass das kleine Päckchen mit der Aufschrift: Nach meinem Tod zu öffnen, immer noch im Depot der Bank of England lag. Miss Black hatte es zwar vor ungefähr vierzehn Tagen zurückgefordert, es aber dann erneut deponiert.
Erneutes Telegramm und die Antwort, die Bank bedaure, dass sie aufgrund ihrer Satzungen das Depot nicht auslief em könne.
Jetzt musste sich Washington doch wieder einschalten, aber bis der Amtsschimmel ans Ziel gelangt war, konnte es noch Tage dauern, und dabei war jede Stunde kostbar. Wenn wir Keys und Nancys Aufzeichnungen in Händen hielten, so würden wir wissen, wer hinter ihrem Verschwinden steckte.
***
Wir wussten nicht, dass die Gangster alle Trümpfe in der Hand hatten. Nur einen einzigen hatte sich Nancy Black gesichert. Die belastenden Papiere, das, was wir ihre Lebensversicherung nannten, lagen immer noch im Depot der Bank of England, wo sie niemand erreichen konnte.
Die einzige Möglichkeit wäre gewesen, dass die Gangster das Mädchen zwangen, ihr Depot zurückzuverlangen. Dem vorzubeugen gelang der Zentrale in Washington schon innerhalb der nächsten zwölf Stunden.
Sollte eine Anforderung mit Nancy Blacks Unterschrift dort eintreffen, so würde man uns unverzüglich davon unterrichten, wohin die Papiere geschickt werden sollten, und man würde die Absendung so lange wie möglich hinauszögem. Sollte aber, was durchaus im Bereich der Möglichkeit lag, jemand bei der Bank of England erscheinen und, mit einer Vollmacht versehen, die Herausgabe des Depots verlangen, so würde er auf der Stelle verhaftet werden.
Vorläufig war Nancy Black ihres Lebens sicher, obwohl ich bezweifelte, dass es ihr besonders gut ging.
Nancy Black musste unter allen Umständen gefunden werden. Wir waren uns klar, dass dieses Vorhaben mit den größten Schwierigkeiten verbunden war. Es hing aber viel davon ab, dass wir das Mädchen lebend erwischten. Vor allem wurden sämtlich uns bekannten Gangsterbosse und Leute, die im Verdacht standen, mit dem Syndikat in Kontakt zu stehen, überwacht.
Außerdem hatten wir natürlich unsere Ohren an den Leitungen, die durch die geheimen Nachrichtenzentralen der Unterwelt führten.
Phil und ich waren fast jede Nacht unterwegs, saßen in Kneipen und Bars herum und spitzten die Ohren.
Wir pokerten, würfelten, spielten Billard und gaben Drinks aus, um uns beliebt zu machen. Wir merkten an der ganzen Stimmung, dass es unter der Oberfläche brodelte, dass Gerüchte umgingen, hinter die wir aber nicht kommen konnten. Denn trotz unserer Freigiebigkeit waren und blieben wir in den Augen der Gangster Außenseiter; und einem Außenseiter traut man nicht.
Das ging nun schon viele Tage so, bis ich am vierten Tag, es war schon ein Uhr nachts, in Ruby Foods Chop Suey Laden in der Rose Street saß.
Foo war dafür bekannt, dass sein Essen erstklassig und seine Gäste allerletzte Klasse waren. Es gab fast allnächtlich mehrere Male Krach, und es war allgemein bekannt, dass die Glasversicherung es schon abgelehnt hatte, für die zerbrochenen Scheiben aufzukommen.
Ruby Foo selbst stand hinter der Theke. Es war eine warme Nacht, und in dem schlecht gelüfteten Lokal stand die Luft, dass es einem jeden den Schweiß auf die Stirn trieb. Der dicke Chinese war nur mit einer, vor undenklichen Zeiten weiß gewesenen Hose und Filzlatschen bekleidet. Im Übrigen war er höchst unanständig tätowiert. Die Arbeit machten seine hübsche Tochter und sein chinesischer Barmann. Er selbst passte,auf. Ich wusste nur zu genau, dass er einen fußlangen Gummiknüppel und daneben eine abgesägte Schrotflinte unter der Theke liegen hatte. Er war also für jede Eventualität gerüstet.
Ich hatte mir eine Portion Krabben mit Bambussprossen bestellt und 36 war dabei, diese zusammen mit einem Schälchen Reis mit bestem Appetit zu verzehren, als ich gestört wurde.
Ein neuer Gast kam durch die enge Tür. Er war angetrunken, sonst hätte er bei meinem Anblick wahrscheinlich sofort kehrtgemacht. Es war Mike Hall, der den Spitznamen Affe trug, einen Namen, den er nur sehr ungern hörte. Weil er ihn daran erinnerte, wie er aussah.
Sein Gesicht war gerötet, sein Hemd weit geöffnet, und die langen Arme baumelten mit geballten Fäusten zu beiden Seiten herab, während er mit kurzen Schritten durch das Lokal
Weitere Kostenlose Bücher