0282 - Frühstück in der Todeszelle
umzusehen.
»… in Davos, soviel ich weiß. Jimmy hat sie getroffen, und die hat ihm viele Grüße aufgetragen.«
Wieder war die Antwort zu leise, als dass ich sie hätte vernehmen können. Vorsichtig rückte ich meinen Stuhl zur Seite und rief nach dem Kellner. Während ich einen neuen Drink bestellte, schaffte ich es, meinen Platz soweit zu verändern, dass ich die zwei Männer hinter mir sehen konnte.
Sie waren beide im Smoking, hatten satte, runde Gesichter; der eine trug sein pechschwarzes Haar sorgfältig gescheitelt und geölt, während sich der zweite keine Sorgen um die Frisur zu machen brauchte. Sein Kopf war 28 spiegelblank wie eine Billardkugel. Schnell sah ich wieder weg und spitzte die Ohren.
»… nichts zu machen. Wegen des Vergehens der Steuerhinterziehung liefert die Schweiz niemanden aus. So lange sie nicht in die Staaten zurückkommt, kann ihr keiner etwas am Zeuge flicken.«
Jetzt konnte ich auch verstehen, was der andere sagte.
»Und die Boys vom Syndikat? Was sagen die dazu. Ich bin sicher, dass sie schon etwas riskieren würden, um ihr die Erbschaft abzujagen. Das Syndikat hat es nicht nötig, einen Auslieferungsantrag zu stellen. Sie brauchen nur jemand nach ihr zu schicken und sie so lange mit dem Messer kitzeln zu lassen, bis sie den Kies herausrückt.«
»Wieder falsch getippt«, antwortete der Glatzkopf. »Die kleine Nancy ist ein kluges Mädchen. Sie hat Keys Tagebuch mitgenommen, und sie selbst hat ebenfalls gewisse Aufzeichnungen gemacht. Das Tagebuch und die Aufzeichnungen liegen im Tresor der Bank von England und tragen den-Vermerk: Nach meinem Tod zu öffnen. Wenn der Inhalt bekannt würde, hätten ein paar der ganz großen Fische ausgespielt. Sie verfügt über Material, das, wenn es ans Licht käme, einen großen Teil der Unterweltskönige entthronen und vor den Richter bringen würde. Es klingt lächerlich, aber es ist Tatsache, dass diese Frau das Schicksal des Syndikats in den Staaten in ihren kleinen, gepflegten Händen hält, und darum lässt man sie in Ruhe. Wenigstens solange, wie sie nicht zurückkommt, und so dumm wird sie kaum sein.«
»Vielleicht, vielleicht aber auch nicht. Vielleicht erinnerst du dich daran, dass selbst Luciano von Heimweh geplagt war und immer davon träumte, einmal in die Staaten zurückkehren zu können. Wenn die Cops Wind davon bekommen, traue ich ihnen zu, dass sie Nancy einen Handel vorschlagen. Sie werden ihr das Angebot machen, das Verfahren wegen Steuerhinterziehung in der Versenkung verschwinden zu lassen, wenn sie ihnen das bewusste Tagebuch und die Aufzeichnungen ausliefert. Das Geschäft wäre nicht einmal schlecht.«
»Und sie selbst ein totes Mädchen«, lachte der Glatzkopf.
So weit war die Unterhaltung der beiden Ehrenmänner gediegen, als Phil eintraf. Ich legte den Finger auf den Mund, und er verstand. Aber es waren nur noch ein paar Worte, die wir mitkriegten.
»Stell dir vor, dass die schöne Nancy in der Schweiz eine Lungenentzündung bekäme und daran stirbt. Dann wäre der Zeitpunkt gekommen, an dem das kleine Paket mit der Aufschrift: Nach meinem Tod zu öffnen aktuell würde. Was meinst du, was die Big Boys sich für Sorgen um Klein-Nancys Gesundheit machten.«
Beide lachten und damit war ihre Unterhaltung, so weit sie Nancy Black betraf, zu Ende.
Natürlich hatten wir nicht die Absicht, es bei dem zu belassen, was ich so zufällig erfahren hatte. Ich telefonierte und bestellte zwei meiner Kollegen, um unsere beiden Nachbarn beim Weggehen zu beschatten. Erst nachdem die Kollegen angekommen waren, verkrümelten wir uns.
***
Am nächsten Morgen erfuhren wir, dass es sich um zwei alte Buchmacher handelte.
Bereits zwei Stunden später suchte ich den Glatzkopf in seinem Büro in 30 der 58. Straße auf. Er kam gewaltig in Verlegenheit, als er hörte, dass er zu laut gesprochen hatte. Er gab uns auch den Namen seines Gewährsmannes, Jimmy Teller, ebenfalls ein Buchmacher, der eiskalt zugab, es stimme aufs Wort, was er erzählt habe. Nancy wohne in Davos im Grand-Hotel, flirte und lasse es sich gut gehen.
Er hatte sich nicht für verpflichtet gehalten, das Finanzamt zu unterrichten, weil dieses ja doch machtlos sei und, wie er vergnügt eingestand, er sich niemals dazu hergeben würde, jemanden bei der Steuer zu denunzieren.
Wir waren verpflichtet, den Geheimdienst des Treasury Departements zu benachrichtigen. Im Übrigen kümmerten wir uns nicht mehr darum. Viel lieber hätten wir einen Anhaltspunkt dafür gehabt,
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