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0285 - In den Tiefen von Loch Ness

0285 - In den Tiefen von Loch Ness

Titel: 0285 - In den Tiefen von Loch Ness Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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hier. Gespenster ja, die waren etwas anderes. Aber nicht diese Hirngespinste, von denen die Rede war…
    Und dann Glenns Anspielungen auf Todesgefahr und auf etwas, das sich vor langer Zeit ereignet haben sollte… Warum, zum Teufel, rückte der alte Geheimniskrämer nicht mit der Wahrheit heraus? Nun, vielleicht wollte er sich nur wichtig machen. Vielleicht wollte er als tragische Figur bemitleidet werden. Melissa kannte ihren Schwager gut genug, um zu wissen, daß er jede Chance wahrnahm, sich in den Mittelpunkt zu rücken, und wie konnte er es besser tun als den Geheimnisvollen zu spielen?
    »Der Alte spinnt«, murmelte Melissa. »Uns hier in der Burg einsperren wollen, auf unbestimmte Zeit… Das ist ja wohl das Letzte! Aber eine Stuart läßt sich nicht einsperren - nicht mehr in der heutigen Zeit.«
    Sie nahm noch einen kräftigen Schluck aus dem großen Glas, erhob sich und ging zur Tür, die in den Korridor hinausführte. Sie wollt es jetzt darauf ankommen lassen und einen Spaziergang draußen außerhalb der Burgmauer an der Straße machen. Weil es kalt war, schnappte sie sich noch aus einem der Kleiderschränke einen wärmenden Mantel. Wenigstens für eine Viertelstunde wollte sie hinaus, ausprobieren, was an der Sache dran war, und anschließend Glenn ins Gesicht schleudern, daß er doch nur ein verschrobener alter Knabe war.
    Die Höflichkeit des britischen Adels hatte Melissa Stuart nie für sich gepachtet gehabt. Sie hielt es mehr mit der schottischen Offenherzigkeit und sagte, was sie dachte. Joanna, ihre Schwester, war da viel vornehmer. Deshalb paßten sie und Glenn ja auch so gut zusammen.
    Melissa streckte ihre Hand nach dem Türgriff aus.
    Da bewegte der sich von selbst.
    Trotz aller resoluten Gedanken zuckte Melissa erschrocken zurück. Dann fiel ihr ein, daß es Angely sein könnte. Nur die hatte die Frechheit, irgendwo einzutreten, ohne anzuklopfen. Alle anderen respektierten die gegenseitige Privatsphäre, und das Personal war erst recht zurückhaltend und vorsichtig.
    Angely, das schwarze Schaf der Familie, hatte ihr jetzt gerade noch gefehlt.
    »Ich bin in Eile«, verkündete die alte Dame energisch und wollte wieder auf die sich langsam öffnende Tür zugehen, um sich an Angely vorbeizuschieben, als sie sah, wer da hereinkam.
    Nicht Angely, sondern ein Skelett.
    »Iiih!«, schrie Melissa auf. »Das ist ja der. Gipfel der Geschmacklosigkeit… woher hast du das verdammte Plastikding geklàut?«
    Sie sprach ins Leere.
    Angely, der sie den schlechten Scherz mit einem Schulkunststoffskelett zugetraut hatte, war nirgends zu sehen. Und dieser Knochenmann stand nicht auf einem Gestell und fuhr auf Rollen durchs Castle, sondern er bewegte sich richtig, als ob er lebte!
    Melissa schrie noch lauter, schrill und durchdringend. Aber das half ihr nichts.
    Das lebende Skelett kam herein und streckte die Hand nach ihr aus.
    »Geh weg, geh weg!«, schrie Melissa Stuart entsetzt, wich zurück und streckte abwehrend die Hände vor. Doch das Skelett setzte nach. Der Unterkiefer bewegte sich.
    »Flucht nützt dir nichts«, sagte eine heisere Stimme, die aus dem Nichts zu kommen schien. »Ich bekomme dich sowieso. Dich und alle anderen auch!«
    »Aah!«, kreischte Melissa. »Nicht…«
    Da war der Knochenmann bei ihr.
    In diesem Moment glaubte Melissa Stuart an alles, auch daran, daß eine Berührung ihr den Tod bringen würde. Sie stolperte im Rückwärtsgehen, stürzte nieder und sah das Skelett über sich. Wimmernd versuchte sie davonzukriechen, gepeinigt von Todesangst. Sie wollte nur weg hier, weg und irgendwie überleben. Immerhin war sie erst 39 Jahre alt und wollte noch ein bißchen weiterleben, um ihre Mitmenschen zu tyrannisieren.
    Doch der Knochenmann zeigte ihr das Ende ihres Weges. Er bückte sich, packte blitzschnell mit beiden Händen zu und riß Melissa vom Boden empor. Mit höhnischem Schädelgrinsen betrachtete er sie, während ihr Widerstand erlahmte. Da war ein eigenartiges Prickeln dort, wo der Knochenmann ihre Haut berührte. Ein Prickeln, das sich rasch ausbreitete und unter die Kleidung kroch.
    Es ging schneller, als es erst bei MacRoy gegangen war. Da hatte er gut eine Stunde Zeit gehabt, ehe die Verwandlung einzusetzen begann. Hier geschah sie spontan. Und tief in seinem knöchernen Inneren glomm jetzt Zufriedenheit auf, weil er einen Teil des Auftrags aus unendlicher Ferne zu erfüllen begonnen hatte.
    Melissas Schreien erstarb. Sie sah, wie ihr Fleisch sich aufzulösen begann, und da

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