0287 - Herrscher über tausend Geister
ritt an Zamorras Seite. »Weg hier«, rief er.
»Der Römer«, gab Zamorra zurück. »Wir müssen ihn heraushauen! Los!« Er zwang sein Beutepferd vorwärts, ritt zwei Comanchen nieder und sprengte wieder auf die Zelte zu. Mit einem Fluch auf den Lippen folgte ihm der bärtige Hüne. Jetzt flogen wieder Pfeile; drei oder vier Comanchen zwischen den Zelten schossen. Aber sie trafen nicht. Olaf rammte eines der Zelte, kam dabei fast selbst zu Fall, und hieb mit dem Langschwert um sich. Da tauchte auf einmal der Centurio Tanista auf, mit dem Kurzschwert um sich schlagend und den Helm in der Hand. Er hatte sich seinen Besitz zurückgeholt!
»Hierher«, schrie Zamorra und ließ wieder die Axt am langen Stiel kreisen. Die Comanchen wichen zurück; trotz aller indianischen Tapferkeit hielten sie es nicht für nötig, sich die Köpfe einschlagen zu lassen.
Nicht von ein paar Weißen, die seltsam aussahen! Hier ging es nicht um Stammesehre, sondern um Fremde, die eingefangen waren, aber keine sonderliche Bedeutung besaßen. Und nach dem grünblauen Leuchten waren die Comanchen nicht einmal mehr sonderlich erpicht darauf, diese Gefangenen zu behalten.
Daß ihr Medizinmann erschlagen worden war, bevor er einen Nachfolger erwählen konnte, wußten sie noch nicht. Sonst hätten sie ganz anders gekämpft, und keiner der vier Menschen wäre mit dem Leben davongekommen.
So aber packte Zamorra zu, riß den Römer zu sich aufs Pferd und ritt wieder an. Das Tier jagte davon. Olaf folgte Zamorra. Drüben am Pferch stieß Nicole einen langanhaltenden, schrillen Schrei aus. Sie galoppierte mit dem Rest der Pferde davon!
Damit hatten die Comanchen zu Fuß das Nachsehen. Sie waren zwar schnelle Läufer, die ohne weiteres auch Reitgeschwindigkeit erreichten und diese längere Zeit durchhielten, aber sie hielten es noch nicht für wert, ihre Gefangenen zu verfolgen. Die Pferde würden sie schon irgendwie zurückbekommen oder sich andere stehlen; jeder Indianer, ob Comanche oder sonst irgend einem Stamm zugehörig, war damals von Beruf Pferdedieb. Es war fast schon eine Sportart.
Zamorra und Olaf holten Nicole bald ein, die die Pferde in alle Richtungen davontrieb, sie zerstreute. Jetzt fielen sie in lockeren Trab. Nicole grinste ihren Partner und Lebensgefährten fröhlich an. »Na, wie war ich? Was du da hörtest, war übrigens ein Jagdschrei der Cheyenne.«
»Die wohnen aber erheblich weiter nordwärts«, sagte Zamorra, »und kommen normalerweise kaum in diese Gegend.«
»Eben das wird unsere rothäutigen Freunde irritieren. Der Pferdediebstahl kommt hinzu. Kein Weißer hätte sich diese Mühe nebenher gemacht. Sie dürften jetzt ziemlich intensiv grübeln, wen sie da wirklich als Gefangene hatten. Exotisch genug sind wir ja aufgetreten.«
»Wir sollten zusehen, daß wir so schnell wie möglich hier wegkommen, und wir sollten auch zusehen, daß wir unsere Spuren verwischen«, sagte Zamorra. »Sie werden uns verfolgen.«
»Kaum«, sagte Nicole. »Nicht wegen der lumpigen Gäule, die ihnen ohnehin nicht viel bedeuten. Bei der nächsten Gelegenheit beschaffen sie sich andere Tiere.«
Zamorra winkte ab.
»Darum geht es nicht. Aber Olaf hat den Medizinmann erschlagen.«
***
Trauer kehrte ein im Dorf der Comanchen. Der schwarzhaarige Weiße mit dem Kurzschwert hatte sehr tapfer gekämpft, und niemand konnte ihm zürnen, aber er würde sich vorsehen müssen. Fiel er den Comanchen noch einmal in die Hände, war er dem Tod geweiht. Denn er hatte Angehörige des Stammes erschlagen. Doch es war ein fairer Kampf gewesen.
Der vierte Tote war der Medizinmann. Der Mann mit dem gehörnten Helm hatte den Ahnungslosen feige und hinterhältig getötet, obgleich selbst die Weißen wissen mußten, daß ein Medizinmann nicht kämpft.
Was noch schlimmer war: es gab keinen Nachfolger. Noch hatte sich keiner unter den jungen Männern berufen gefühlt, Schüler zu werden und später die Nachfolge des Medizinmannes anzutreten. Immerhin war der Dorfzauberer selbst noch jung gewesen.
Er hatte sein Wissen noch nicht weitergeben können! Das war schlimm, denn nun würde es für immer mit ihm verloren sein. Man würde bei einem anderen Dorf als Bittsteller auftreten müssen.
»Es läßt sich nicht mehr rückgängig machen«, sagte der Häuptling finster.
»Doch wenn wir nicht mit dem Medizinmann zugleich die Ehre unseres Stammes verlieren wollen, muß diese Tat mit dem Blut der Weißen gesühnt werden. Die Nacht kommt, aber noch in dieser Nacht werden
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