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0287 - Herrscher über tausend Geister

0287 - Herrscher über tausend Geister

Titel: 0287 - Herrscher über tausend Geister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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»Union« befreit. Völlig unsinnig, dachte Wang Lee. Was bei allen Göttern sollten die Sklaven anfangen, wenn sie keine Herren mehr besaßen? Ohne Obdach, ohne Essen und Trinken, ohne Arbeit… Und seit jenem großen Krieg, den die »Konföderation« verloren hatte, ging es mit dem Land bergab. Und zu diesem Land gehörte Texas.
    Wang Lee versuchte das alles zu verstehen. Aber noch war vieles für ihn undurchsichtig, und wahrscheinlich würde er es erst besser verstehen, wenn er auch noch andere Menschen fragte. Aber immerhin wußte er, daß er seiner Hautfarbe wegen zu jenen gehören würde, die einst Sklaven waren und jetzt Befreite, die nichts mit sich anzufangen wußten und über die Frauen der Weißen herfielen, um sich für die einstmalige Unterdrückung zu rächen. So zumindest hatte es ihm Chuck erklärt. So sah es Chuck, und so mußte es auch Wang übernehmen. Aber er ahnte, daß mehr dahintersteckte. Denn ›Chucks Erzählung war gefärbt vom Haß der Besiegten.
    Vielleicht deshalb auch der Angriff auf Wang Lee Chan, den Gelben.
    Gelbe und Schwarze – das waren die Unterprivilegierten, die Unterdrückten, auch wenn sie jetzt frei waren.
    Aber Wang Lee wollte nicht zu ihnen gehören. Seit er begriffen hatte, daß es nicht nur in seiner Zeit Leid und Unterdrückung, Sieger und Besiegte gab, sondern auch hier, nahm er sich vor, ab jetzt zu den Siegern zu gehören.
    Er war stark und schnell. Und es mußte mit den Dämonen zugehen, wenn andere, die schwächer waren als er, ihn besiegen würden.
    Er lernte schießen.
    Erst mit dem Gewehr, dann mit dem Revolver. Die Waffen nahm er den Toten ab. Chuck schlackerte mit den Ohren. Nie hatte er jemanden gesehen, der zum ersten Mal eine Schußwaffe in die Hand nahm und auf Anhieb jedes Ziel traf. Doch Wang Lee schaffte es. Er konzentrierte sich auf das Schießen, wurde förmlich eins mit der Waffe, und das mit einer gigantischen Schnelligkeit. Jahrzehntelange Übung im waffenlosen Kampf, um Kampf mit Stab, Bogen, Dolch und gebogenem Schwert verlieh ihm die Sicherheit und Ruhe. Wenn Wang Lee kämpfte, war er nicht erregt. Er schaltete alle Gefühle aus und war nur noch Kampfreflex in Person.
    Mit dem schweren Lederholster an der Hüfte und dem Gewicht des Revolvers kam er sich seltsam vor. Aber er beherrschte diese seltsame Waffe, wie er Hände, Füße und Kopf beherrschte, wie er mit Stab und Schwert focht. Und er wußte, daß es niemanden gab, der ihn besiegen konnte.
    Außer… jemand, der war wie er. Und den gab es in diesem Land nicht.
    Wang Lee Chan war mit sich zufrieden.
    »Was wirst du jetzt tun?« fragte Chuck.
    Wang Lee drehte sich am Tresen des Geisterstadt-Saloons um und starrte den Banditen durchdringend an.
    »Ich werde dieses große Land regieren«, sagte er. »Und mein Reich wird größer sein als das des damaligen Dschingis-Khan. Wang Dschingis-Khan – das wird mein Name sein.«
    »Und du willst, daß ich dir helfe. Dir, einem Verrückten«, sagte Chuck erschrocken.
    »Ich brauche deine Hilfe nicht«, sagte Wang Lee ruhig. »Das schaffe ich allein. Du wärst mir nur hinderlich.«
    Und er verließ den Saloon und trat ins Freie.
    Im Westen schickte die Sonne sich an, unterzugehen.
    ***
    »Ein Weltreich will er also erobern«, sagte Churk, der Dämon, hinter den Spiegeln der Zeit und den magischen Symbolen. »Ich glaube kaum, daß ihm das gelungen ist. Es gelang selbst dem Temudschin nicht, den ich vor ihm rettete, weil er noch genug Unheil über die Welt bringen mußte. Es gelang Alexander dem Großen nicht, nicht Julius Caesar, nicht Napoleon und nicht Adolf Hitler. Die Welt ist zu groß, um von einem allein regiert zu werden.«
    Leonardo schüttelte den Kopf.
    »Die Welt ist zu klein«, widersprach er. »Aber Wang Lee Chan hat keine Chancen, weil ich es nicht will. Ich brauche kein Zeitparadoxon.«
    »Es gibt bereits eins«, wies ihn der Dämon auf Zamorras Wagen hin.
    Leonardo de Montagne ging nicht darauf ein. »Wang Lee wird deshalb scheitern, weil das Weltreich bereits für einen anderen ausersehen ist. Er wird nie mehr werden können als der Zweitmächtigste.«
    Churk, der Dämon, schwieg. Er ahnte, was Leonardo sagen wollte.
    Der Mächtigste wollte er selbst sein.
    »Warum willst du ihn dann schützen?« fragte er nach einer Weile.
    »Weil ich einen Mann wie ihn als meine rechte Hand brauche. Warten wir ab, ob er gegen Zamorra bestehen kann«, versetzte Leonardo.
    »Und dein Skelett-Krieger?«
    »Ihn behalte ich als Trumpf in der Hinterhand.

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