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0287 - Sein Mörder war schon unterwegs

0287 - Sein Mörder war schon unterwegs

Titel: 0287 - Sein Mörder war schon unterwegs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sein Mörder war schon unterwegs
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Schuh. Der Mann stöhnte vor Schmerz, vor Wut und vor Hass, der plötzlich in ihm aufflammte. Sein Gesicht verzog sich zu einer Maske von brutaler Mordgier. Und dann löste er sich von der Wand und kam langsam auf sie zu.
    Sie klappte die Handtasche auf und nahm die kleine Pistole.
    »Noch einen Schritt«, sagte sie kalt, »und ich drücke ab.«
    Er blieb stehen und traute seinen Augen nicht. Mit gerunzelter Stirn starrte er auf den matt schimmernden, brünierten Lauf der kleinen, gefährlichen Waffe, die auf diese kurze Entfernung nicht weniger tödlich wirken musste als ein größeres Kaliber.
    Ein paar Augenblicke standen sie sich reglos gegenüber. Tiefe Stille herrschte. Nur von der Straße her drang das Summen der Automotoren zu ihnen in den Hausflur. Dann sagte Berta Right mit kalter Entschlossenheit: »Sie wissen, dass amerikanische Gerichte gewöhnlich auf der Seite der Frau stehen, wenn sich ein Fall wie dieser abspielt.«
    »Du wirst es nicht wagen«, stieß er heiser hervor.
    Berta Right erwiderte nichts darauf. Sie sah ihn nur an. Aber in ihren Augen stand die härteste Entschlossenheit. »Gehen Sie die Treppe hinab und auf dem Gehsteig bis vorn an die nächste Ecke. Wenn Sie einmal stehen bleiben, drücke ich ab.«
    Er hob noch einmal den Blick, aber als er ihr Gesicht sah, geisterhaft bleich und mit harten Linien um Mund und Nasenflügel, da drehte er sich langsam um und gehorchte. Berta Right empfand einen Sekundenbruchteil etwas wie Mitleid. Aber dann dachte sie an den Mann, den sie aufsuchen wollte. Vielleicht hatte dieser Mann hier jenen oben in der vierten Etage zu bewachen. Mitleid mit diesen Männern wäre der erste Schritt auf dem Weg zum Selbstmord gewesen.
    Die Gestalt des Mannes, den sie verjagt hatte, verschwand in der Dunkelheit des nächtlichen Regens. Berta drehte sich um und ging in den Flur hinein. Am anderen Ende befand sich der Fahrstuhl. Berta betrat ihn und drückte den Knopf für das vierte Stockwerk. Surrend setzte sich der Lift aufwärts in Bewegung.
    Als sie oben ausstieg, schüttelte sie den Kopf. Ihr weibliches Geschmacksempfinden ließ sie für eine Sekunde ihr tollkühnes Vorhaben vergessen. Noch immer hingen die Rüschen von einer Zierportiere über dem Durchgang zum linken Flur. Noch immer lag der abgetretene, schreiend rote Teppich auf dem Fußboden. Noch immer stand die entsetzlich kitschige, fast einen Yard große Porzellanfigur vor der Wand zwischen dem rechten und dem linken Flurabschnitt. Und noch immer lag der Geruch von Staub, Plüsch und sich ankündigendem Moder in der Luft. Genau wie damals…
    Ein paar Sekunden stand sie bewegungslos vor den offenen Fahrstuhltüren. War es wirklich schon so lange her, dass sie dieses Haus zum letzten Mal betreten hatte? Oder war es erst vor ein paar Wochen gewesen?
    Sonderbar, dachte sie. Heute kann ich überhaupt nicht mehr begreifen, dass ich in dieses Haus gegangen bin. In dieses Haus, das aussieht, als hätte es sich unverändert aus der Jahrhundertwende herübergerettet in die Gegenwart. Dieses Haus mit dem verstaubten Plüschbelag an allen möglichen und unmöglichen Stellen. Robert hat einmal gesagt: »Wer hier wohnt, weil er es will und nicht etwa muss, bei dem ist geistig nicht alles in Ordnung.« Wie recht hatte ihr Bruder gehabt - und wie spät hatte sie es damals eingesehen.
    Sie ging langsam auf dem roten Teppich in den linken Flur hinein. Von der Decke hing noch immer das Ungetüm von Lampe herab, das mit geschliffenen Glaszacken verziert war. Die Lampe aus einer längst vergangenen Zeit. Aber war sie wirklich vergangen? Griff sie nicht plötzlich mit neuer Gewalt nach ihrem Leben, ihrem ganzen Sein - ja, nach ihrer Seele?
    Berta lächelte plötzlich. Nein. Nach ihrer Seele konnte diese Zeit nicht mehr greifen, dieses Haus nicht und gewiss nicht der Mann, den sie aufzusuchen im Begriff war. Die Ehe mit Sammy war - wie jede Ehe - nüchterner gewesen, als sich ein blutjunges Mädchen eine Ehe vorstellte. Aber es war eine saubere, gute Ehe gewesen, gegründet auf gegenseitige Achtung und einer in Jahren reifer gewordenen herzlichen Zuneigung, die sich mit dem in hundert falschen Filmen abgenutzten Wort Liebe nur sehr ungenau umschreiben ließ. O nein, die Jungmädchenträume waren ausgeträumt. Das Leben hier und heute hatte aus ihr eine gerade, moderne Frau gemacht. Es bestand keine Gefahr, dass sie zurückfallen könnte in einen törichten, in einen sehr törichten Mädchenschwarm.
    411 stand an der Tür. Selbst

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