0288 - Dämonen-Orakel
trojanische Pferd stehen. Jegliches Leben erstarb in dem mächtigen Metallwesen.
Das Volk von Troja brach in Jubelgeschrei aus.
»Die Götter senden ihr sichtbares Zeichen!« ließ König Priamos seine Stimme ertönen. »Sie ließen das Pferd nicht nur den letzten Feind des heiligen Ilion zertreten, sondern es auch den Weg in die Stadt finden. Hier soll es stehen bleiben und uns immer an den zehnjährigen Heldenkampf gegen die Völker Griechenlands erinnern. Aber auch an unseren Sieg!«
»Sieg! Unser Sieg! Heil, König Priamos!« Euphorische Rufe schallten aus dem allgemeinen Beifallsgeschrei der Menge heraus.
»Ein Sieg, der so vielen Griechen und Trojanern das Leben gekostet hat!« flüsterte der greise König bei sich, und zwei einsame Tränen rollten über seine zerfurchten Wangen und versickerten in seinem eisgrauen Bart. »Auch der mächtige Achilles ist gefallen. Und mein liebster Sohn, der tapfere Hektor. Mit dem Blut seiner besten Söhne bezahlte Troja seine Freiheit!«
»Sieg!« hallte es durch die Stadt. »Heil, König Priamos!«
»Wir feiern den Sieg!« bestimmte der König, sich ermannend. »Gebt Befehl, meine Weinkeller zu öffnen und schlachtet einige Stiere auf dem Altar des Zeus. Das Herz verbrennt zu Ehren der Götter, mit dem Fleisch der Stiere soll das Volk von Troja gespeist werden. Niemand soll in dieser Nacht in Troja hungern und dürsten!«
Wieder brandete das Jubelgeschrei der Trojaner auf. Krieger öffneten die Schnallen ihrer Rüstung und ließen die Wehr achtlos auf das Pflaster fallen. Schwerter und Lanzen klirrten zu Boden. Fremde Menschen lagen sich in den Armen und weinten Tränen der Freude. Die Kinder konnten nicht begreifen, was dieses Wort bedeutete. Frieden!
»Vater!« wandte sich ein ungefähr zwölfjähriger Junge an Äneas. »Warum wirfst nicht auch du deine Waffen von dir? Wir stehen jetzt unter dem Schutz des großen Götterpferdes. Das wird die Griechen zermalmen, wenn sie es noch einmal wagen, Troja anzugreifen. Der Krieg ist vorbei!«
Fragend blickte Äneas auf Professor Zamorra. Doch der Meister des Übersinnlichen schüttelte den Kopf.
»Wir können das Schicksal nicht aufhalten!« raunte Aurelian dem Trojaner zu. »Jeder, der das Pferd angreift, ist des Todes. Auch Zamorra und ich haben keine Waffen, um den Stahlkoloß zu vernichten!«
»Wir hätten das Tor schließen sollen… !« warf Äneas ein.
»Das Volk glaubt daran, daß es ein Weihgeschenk an die Götter ist!« sagte Professor Zamorra, der nahe genug herankam, um mit Äneas zu reden, ohne daß es die anderen Trojaner hören konnten. »Sie hätten jeden gesteinigt, der das Pferd am Betreten der Stadt gehindert hätte. So groß auch deine Verdienste in der Schlacht waren, Äneas, man hätte dich nicht geschont. Denke an meine Worte. Triff alle Vorbereitungen, zu fliehen, wenn der Kampf sinnlos geworden ist. Denke an Rom, an die Stadt, die dein Nachkomme Romulus gründen wird!«
»Vater. Warum wirfst du nicht endlich die Waffen weg?« quengelte der Junge. »Die Griechen sind fortgesegelt!«
»Wer fortsegelt, der kann wiederkommen!« sagte Aneas hart. »Habe ich die Waffen zehn Jahre getragen, kommt es auf einen Tag nicht mehr an. Nach Hause, Askanius. Rufe mir die Männer, deren Namen ich dir sagen werde. Wir wollen in meinem Haus die Siegesfeier zelebrieren!«
Er winkte Professor Zamorra und Aurelian noch einmal zu und verschwand dann in einer der Seitengassen. Sinnend sahen ihm die beiden Männer aus der Zukunft nach. Professor Zamorra spürte, daß sich ihre Wege nicht noch einmal kreuzen würden.
»Verzeiht, hochwohlgeborene Gesandte des Königs von Cimmeria!« dienerte ein Lakai vor den beiden Freunden. »König Priamos gibt sich die Ehre, euch ganz besonders herzlich zur Siegesfeier auf Ilion, der Königsburg, einzuladen. Euer Angebot, der Stadt Troja helfen zu wollen und der Versuch, dem Pferd den Weg in die Stadt zu ebnen, läßt euch zu besonders geachteten Gästen werden!«
»Danke dem König für die Einladung!« sagte Professor Zamorra mit fester Stimme. »Wir werden kommen… um den letzten Akt des Dramas mit zu erleben!«
Die letzten Worte kamen flüsternd aus seinem Mund…
***
Ein leiser Alarmton weckte Odysseus aus seinem unruhigen Schlaf. Der Fürst von Ithaka schreckte auf. Viele Stunden hatte er gesessen und über den Bildschirm die Siegesfeier der Trojaner verfolgt. Bald wimmelten die Gassen, die zum Platz des Pferdes führten, von Betrunkenen. Der Wein, den König Priamos
Weitere Kostenlose Bücher