0288 - Der Gangster floh in meinem Wagen
den Hof. Als die Matrosen das Lokal verlassen hatten, waren die Chinesen sofort gefolgt. Später sollte sich herausstellen, dass es sich um Gäste gehandelt hatte, die glaubten, dass die Matrosen über ihre Landsleute herfallen wollten.
Selten hat sich wohl auf einem derartigen Hinterhof eine solche Massenschlägerei entwickelt wie hier. Die Matrosen waren außer Rand und Band. Sie räumten wie fleischgewordene Bulldozer auf.
Als die Streifenwagen heranbrausten, von ängstlichen Passanten alarmiert, sah es aus wie auf einem Kriegsschauplatz.
Phil klärte die Cops auf, und mit ihrer Hilfe wurden die Opfer sortiert. Wie zu erwarten, waren die Chinesen, auf die es ankam, spurlos verschwunden. Wohl wurden einige verdächtige Männer zur Station gebracht, aber sie mussten ohne Ausnahme wieder entlassen werden, da man ihnen keine Beteiligung an dem Überfall nachweisen konnte.
Man suchte noch eine ganze Stunde nach Jimmy Reads, hatte aber keinen Erfolg damit. Phil gab Tommy Green eine Zwanzig-Dollar-Note, die er mit seinen Kameraden in Alkohol verwandeln sollte, und machte sich dann auf den Weg zum Chatham Square. Aber die Nacht war ja noch längst nicht um.
***
Walter Stein und ich hatten den südlichen Teil Chinatowns übernommen. Ohne Erfolg. Wir hatten uns in unzähligen Kaschemmen herumgedrückt und waren auch in der Boxing Hall der Madison Street gewesen. Hier hatte ich gehofft, unseren V-Mann Hoy Sing zu treffen, aber Pustekuchen. Hoy Sings Gesicht war nirgends zu entdecken.
Gegen 22 Uhr machte ich mir kaum noch Hoffnung, eine Spur zu finden.
Ich wandte mich an meinen Kollegen Walter Stein. »Wir gehen erst einmal zur Oliver Street zurück. Vielleicht haben Phil und Jimmy etwas entdeckt und uns eine Nachricht hinterlassen.«
Wir gingen langsam zur Ecke der Oliver Street.
Schon von weitem sah ich eine Menschenansammlung. Ich stieß Walter an.
»Sieh mal, ist das nicht unser Wagen?«
Stein furchte die Stirn. »Ich glaube, ja.«
Wir setzten uns in Trab und liefen über die Straße. Hinter unserem Oldsmobile stand ein Streifenwagen. Im Gegensatz zu Phil und Jimmy, die sich als Matrosen getarnt hatten, spielten wir Dandys aus dem Süden, die sich einmal richtig amüsieren wollten. Dementsprechend waren wir auch gekleidet.
Wir bahnten uns einen Weg durch die Menge und liefen einem baumlangen Cop in die Arme. Er musterte uns, und ein verächtlicher Zug erschien auf seinem Gesicht.
»Hier können Sie nicht durch, Mister«, knurrte er mich an. »Die Vorstellung ist zu Ende.«
Ich nickte und zog meinen Dienstausweis hervor.
»Ich habe so ein Gefühl, als ob unser Auftritt fällig ist.«
Sein Gesicht veränderte sich schlagartig. »Verzeihung, Agent! Ich konnte ja nicht wissen, dass Sie vom FBI sind.«
»Was ist passiert?«, fragte ich.
»Man hat einen Chinesen erstochen«, antwortete er und deutete auf den Bürgersteig, wo sich unter einer Decke die Konturen eines Körpers abzeichneten.
Es war unser V-Mann Ti Yang Li.
Er war durch drei Messerstiche in den Rücken getötet worden. Zwei Passanten hatten es gesehen. Die Mörder waren zwei Chinesen gewesen. Sie waren mit einem Ford Edsel geflohen.
Erst als sie verschwunden waren, hatten die verängstigten Leute die Polizei alarmiert.
Ich suchte in meinen Taschen nach Zigaretten, fand jedoch keine und ging zum Wagen. Im Handschuhfach musste noch eine Packung liegen. Vielleicht hatten Phil und Jimmy dort, wie es verabredet war, eine Nachricht hinterlassen. Ich fand beides. Zigaretten und Phils Zettel.
Gespannt las ich die Meldung durch.
Sind im Blue Dragon gelandet. Reads plötzlich verschwunden. Bin auf der Suche nach ihm. Unsere Spur führt zu Ho Chang im Chinese Heaven. Er hatte Cowling und Kelly versteckt. Fühlt ihm auf den Zahn. Wenn ich Jimmy finde, kommen wir nach. Sonst Treffpunkt Office.
Nachdenklich sah ich auf den Zettel. Ho Chang und der Chinese Heaven? Ich kannte den Laden.
Neben dem Alkohol als Erinnerungstöter, konnte man hier auch »Träumen« und verbotenen Glücksspielen huldigen. Ob City Police oder FBI, wir alle wussten, was in Ho Changs Sündenbabel gespielt wurde. Wenn man es stillschweigend duldete, dann nur darum, weil die Bosse der New Yorker Unterwelt hier regelmäßig verkehrten. Wer einem dieser Burschen auf der Fährte war, brauchte nur zu Ho Chang zu gehen. Er machte auch nie Schwierigkeiten. Im Gegenteil, er verriet so manchen Kunden unter dem Siegel der Verschwiegenheit.
Wenn sich jedoch heraussteilen sollte, dass er in
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