029 - Verfluchte aus dem Jenseits
schwer wie Blei. Dann
endlich bekam er sie einen Spaltbreit auf. Helles Licht blendete ihn, sofort
aber spendete jemand Schatten. Ob mit einem Tuch oder dem eigenen Körper,
konnte er noch nicht sagen. »Wie fühlen Sie sich? Hallo… können Sie mich
verstehen… Sprechen Sie Englisch? Sie sind doch Europäer oder Amerikaner…«
Wieder die ruhige, besonnene Frauenstimme.
»Gut…«,
es war das erste Wort, das über seine ausgedorrten Lippen kam. »Verstehe… gut…«
Das
Sprechen fiel ihm noch schwer.
Dann
träufelte jemand kühles Wasser auf seinen Mund. Es schmeckte frisch und
fruchtig, etwas war ihm zugesetzt. Er empfand es als angenehm und leckte mit
der Zunge die Lippen ab.
Dann
wagte er schon, die Augen weiter zu öffnen, und er begann sich zu fragen, was
das alles mit Urlaub zu tun hatte. Aber deutlicher wurde seine Kritik nicht.
Schemenhaft
schälten sich die Umrisse der Umgebung. Schatten und Helligkeit nahmen endlich
gegenständliche Formen an. Ein Baumwipfel… ein Stück blauer Himmel… dann wieder
Schatten… Ein Gesicht, das sich über ihn beugte. Die Frau war jung, Anfang
zwanzig, trug das Haar offen und schulterlang. Aschblondes Haar… Die Augen
waren braun und blickten ihn gütig an.
»Wer
sind Sie, und wie kommen Sie hierher?« Ihre roten Lippen bewegten sich. Er
wollte sofort darauf reagieren, doch da zögerte er plötzlich. Was für eine
Frage! Wer war er? Er wußte es nicht! Wie er hierherkam?
Auch
daran konnte er sich beim besten Willen nicht entsinnen. »Ich… weiß nicht… ich
weiß… überhaupt nichts…«, konnte er darauf nur sagen. Und es verwunderte ihn
nicht mal, daß er so gut und nicht anders reagierte. Es war ihm völlig gleich,
was man von ihm dachte. Daß er hier war, würde schon einen Grund haben.
»Vielleicht… können Sie es mir sagen?« Er richtete sich mit dem Oberkörper auf.
Die Bewegung tat ihm weh, als wäre sein ganzer Körper mit blauen Flecken
übersät.
»Sie
dürften eigentlich nicht hier sein«, schüttelte das junge Mädchen den Kopf.
Ihre Haut war sonnengebräunt, und sie trug einen durchsichtigen weißen Rock und
ein knapp geschnittenes Bikini-Oberteil.
»Jeder
kann Urlaub machen, wo er will…«
»Dies
ist kein Ort, um Urlaub zu machen…«
»Sonne,
blauer Himmel… ich höre sogar das Meer… Sie wollen mich wohl auf den Arm
nehmen…«
»Dazu
habe ich keinen Grund.«
Er
sah die Fremde aufmerksam an. »Wer sind Sie? Wie kommen Sie hierher?«
»Ich
heiße Aimee – und ich gehöre zum Team…«
»Zum
Reiseteam? Also zu meiner Begleitung?«
Sie
musterte ihn, und als er sich erhob, kam sie ebenfalls aus der Hocke. »Erinnern
Sie sich… denn wirklich an… nichts?« fragte sie verwirrt.
»Woran
sollte ich mich erinnern? Ist das so wichtig?«
»Ich
glaube schon.«
»Irgendwie
muß ich hierhergekommen sein… mit dem Flugzeug… oder dem Schiff…«
»Hier
landen keine Flugzeuge, und es kommen auch keine Schiffe mehr… Rokashu ist
völlig isoliert…«
»Das
verstehe ich nicht. Rokashu… nie gehört…«
»Sie
finden diesen Namen auf keiner Karte der Welt. Die Insel ist zu klein. Sie
gehört zum polynesischen Inselstaat…«
»Ha!
Also, dann bin ich doch richtig. Ich wollte schon immer mal auf eine
Südsee-Insel.«
Die
junge Frau war schlank und sonnengebräunt, ihr Englisch nicht ganz ohne Akzent.
»Sie wissen wirklich nicht, wie Sie hierhergekommen sind?« fragte sie ihn
erneut.
»Nein,
keine Ahnung… Aber da Sie sich mit mir unterhalten, ist dies alles ja wohl kein
Traum, sondern Wirklichkeit. Ich kann schließlich nicht vom Himmel gefallen
sein…«
»Genau
das ist es, was man im Ort behauptet«, lautete die rätselhafte Entgegnung.
Aimee atmete tief durch. Ihre schöngeschwungenen Lippen zeigten ein
schmerzliches Lächeln. »Ich habe Ihre Taschen durchsucht, während Sie im Sand
lagen und… schliefen… « Das letzte Wort fügte sie schnell hinzu, als
hätte sie ursprünglich etwas anderes dafür einsetzen wollen. »… Papiere haben
Sie keine bei sich… Ich habe nur das hier gefunden. Vielleicht erinnert es Sie
an etwas…«
Als
sie das sagte, öffnete sie ihre recht Hand. Darin lag ein daumendicker
Gegenstand. Er war weißgrau, erinnerte an schmutzigen Kalk und war übersät mit
zahllosen seltsamen Zeichen.
»Das
soll mir gehören?« reagierte der blonde Mann mit dem sonnengebräunten Gesicht
und den rauchgrauen Augen. »Sie müssen sich täuschen, Aimee, ich habe das noch
nie zuvor gesehen…«
»Nun,
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