0291 - Medusas Höllenschwester
»Ich muß uns erst noch präparieren. Aber nicht hier draußen in dieser Gluthitze. Sondern drinnen im Wagen.«
»Wie wär’s, wenn du das während der Fahrt machst?« schlug Tendyke vor. »Dann gewinnen wir ein wenig Zeit.«
Zamorra erklärte sich einverstanden. »Aber nur, wenn der jeweilige Fahrer schön ruhig fährt und alle die Klappe halten. Ich fange mit Bill an. Danach stopp, Platzwechsel, und wenn ich Nicole hypnotisiere, muß einer von euch beiden ans Lenkrad.«
»Das übernehme ich«, sagte Bill. »Tendyke fährt den Wagen höchstens zu Schrott, sowie den Hitzeklumpen da drüben.«
»Immer auf die Kleinen«, murmelte Tendyke und zog sich den breitkrempigen Hut tief in die Stirn.
***
Die Steinmänner legten ein ganz schönes Tempo vor. Als Manuela strauchelte und nicht mehr wieder hochkam, machte einer der Marmornen kurzen Prozeß und legte sie sich ebenso über die Schulter, wie ein anderer den Chinesen trug. Sofort wurden die Steinernen noch schneller als zuvor.
Manuela Ford überlegte fieberhaft, wie das möglich war, daß diese Figuren sich bewegen konnten, und noch dazu so schnell. Es gab nur die Lösung, daß die Gorgone sie nicht nur verwandelt, sondern sie auch noch mit einem magischen Potential aufgeladen hatte, das nachwirkte und ihnen Beweglichkeit verlieh. Denn andererseits fühlten sie sich so steinhart an, wie sie aussahen.
Ihr Träger nahm, keine Rücksicht. Sie wurde auf seiner Schulter hin und her geschleudert, und daß ihr Kopf nach unten hing, trug auch nicht zu ihrem Wohlbefinden bei. Nach kurzer Zeit verlor sie die Besinnung.
Als sie wieder zu sich kam, war sie von Wänden umgeben. Sie erkannte sie als die Mauern des Waldtempels wieder, in dem die Gorgone aus unerfindlichen Gründen erwacht war. Mühsam sah sie sich um. Sie fühlte sich wie gerädert. Ihr war übel.
Von Wang, dem Chinesen, war nichts zu sehen. Sie war in ihrer Kammer allein. Wieder Einzelhaft wie in dem Eingeborenendorf! Langsam richtete Manuela sich auf. Sekundenlang wurde ihr schwarz vor den Augen, aber dann schaffte sie es, aufzustehen und wenn auch schwankend wie ein Rohr im Wind stehenzubleiben. Sie brauchte sich nicht einmal anzulehnen.
Die Ex-Studentin und Lotto-Millionärin machte ein paar Schritte vorwärts. Nach zwei Metern stand sie vor der steinernen Wand. Ihr Gefängnis war nicht gerade groß. Als vor vielleicht Jahrtausenden dieser Tempel benutzt wurde, mußten hier die verschiedenen Reliquien untergebracht gewesen sein, die für die magischen oder religiösen Rituale verwendet wurden. Regale an den Wänden sowie eingeritzte Wandzeichnungen deuteten darauf hin.
Demzufolge war sie nicht sonderlich weit vom eigentlichen Altarraum des Tempels entfernt.
Die Tür, eine große Steinplatte, war verschlossen und besaß innen keinen Öffner. Zumindest keinen sichtbaren. Manuela überlegte. Sie war selbst nicht in die Gelegenheit versetzt worden, Tempeltüren zu bedienen. Sie hatte nur die Tonbandprotokolle abgetippt und sich zwischen offenen Türen bewegt, konnte sich aber ausgerechnet jetzt nicht an die entsprechenden Textpassagen erinnern und hatte auch nicht bewußt auf Öffnungsmechanismen geachtet.
Ich muß hier raus, dachte sie.
Ihr war klar, warum sie gefangengenommen und hierher entführt worden war. Mit Sicherheit nicht als Blutopfer für irgendein heidnisches Ritual. Das paßte nicht zu den Gorgonen. Eher sollte sie ein Köder sein, um die Freunde in eine Falle zu locken, oder ein Druckmittel, um sie zur Aufgabe zu zwingen.
Das mußte sie verhindern.
Aber dazu mußte sie aus ihrem Gefängnis entrinnen. Wenn sie wartete, bis die Steinernen kamen und sie holten, war es zu spät. Gegen deren Kräfte hatte sie keine Chance. Außerdem mußte sie wissen, was mit Wang los war.
Und - wer konnte wissen, ob Euryale nicht plötzlich zu der Erkenntnis kam, daß sie Manuela nicht mehr brauchte? Dann mochte es geschehen, daß sie von einem Moment zum anderen versteinert wurde. Und das würde dann ihr Ende sein, das war sicher.
Sie tastete die Wand ab, dort, wo keine Regale und Zeichnungen waren. Im durch ein kleines Fenster fallenden Licht versuchte sie dünne Risse zu erkennen. Aber wer auch immer diese Tempelanlage erbaut hatte, war ein Meister seines Faches gewesen. Es gab nicht einmal Haarrisse.
Manuela tastete die Wandung ab.
Plötzlich versank ein handtellergroßes rundes Steinstück um zwei Zentimeter in der Tiefe, als ihre Fingerkuppen leicht dagegendrückten. Lautlos schob sich eine
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