0291 - Medusas Höllenschwester
peitschten ihr ins Gesicht. Insekten umschwirrten sie, hielten sich aber zurück. Ihr Blut hatte selbst im alten Europa den Mücken noch nie so recht schmecken wollen. Offenbar war es zu gesäuert.
Sie lief weiter, drang gut fünfzig Meter tief in den Wald ein und wandte sich dann nach links. Hin und wieder blieb sie stehen und lauschte. Alles blieb ruhig. Offenbar hatten die Steinmänner die Verfolgung wieder aufgegeben.
Trotzdem wurde Manuela nicht unvorsichtig. Sie mußte immerhin damit rechnen, unversehens der Gorgone gegenüberzustehen. Vielleicht trieb sich das unheimliche Wesen aus der Vergangenheit irgendwo hier herum. Denn von allein waren die tunesischen Marmormänner nicht ihre Sklaven geworden. Sie mußte sich irgendwann in der Nacht einem der umliegenden Dörfer genähert und dort ihre Opfer gefunden haben.
Also war nicht auszuschließen, daß sie auch jetzt unterwegs war. Manuela wollte kein Risiko eingehen. Sie war jederzeit bereit, abrupt stehenzubleiben und die Augen zu schließen, um dann in entgegengesetzter Richtung zu fliehen. Und sie hoffte, daß sie im Notfall schnell genug reagieren konnte.
Sie bewegte sich mehrere hundert Meter weit durch das Unterholz, bemüht, möglichst wenig aufzufallen. Große Hoffnungen hegte sie dabei aber nicht; ihre helle Haut schimmerte in dem dunklen Laubwerk weit.
Schließlich erreichte sie den Tempel von der Seite her. Hier gab es nur einen schmalen freien Streifen zwischen Wald und Tempelmauern. Manuela spähte zwischen den Zweigen und Blättchen hindurch und versuchte, Wächter zu erkennen. Es war erschreckend, wie viele Diener sich die Gorgone inzwischen verschafft hatte.
Hoffentlich hatte sie Wang nicht auch versteinert…
Manuela stellte fest, daß die Luft rein war. Sie wollte gerade die Zweige vor ihr zur Seite schieben, als sie das drohende Zischen hörte. Sie zuckte zurück. Eine Schlange ringelte sich an einem Ast entlang und wollte gerade nach Manus ungeschützter Hand schnappen. Instinktiv schlug sie mit der Flasche zu, traf den Schlangenkopf und betäubte das Reptil. Dann rannte sie los, auf die Tempelmauern zu. Angstschweiß brach ihr noch nachträglich aus bei dem Gedanken, wie viele Schlangen wohl noch im Wald um sie herum gewimmelt waren, ohne daß sie sie bemerkt hatte. Wenn eines von diesen Biestern zugebissen hätte…
Psycho-Terror!
Tief durchatmend preßte sie sich an die äußere Tempelmauer. Sie wußte, daß es keinen Sinn hatte, sich künstlich weiter in ihre Angst hineinzusteigern. So viele Schlangen konnte Euryale gar nicht unter Kontrolle haben. Die meisten waren um den Wagen und zwischen den Zelten konzentriert. Für den Wald blieben nur wenige.
Wieder sah sie sich um. Sie überlegte, ob sie den Seiteneingang wiederfinden konnte. Langsam bewegte sie sich in Richtung Rückseite des Tempels. Kurz vor der Kante fand sie die Tür, die in den Innenhof führte. Sie stand offen. Manu schlüpfte hindurch und sah sich wieder nach Wächtern um.
Niemand zu sehen.
Wo zum Teufel mochte Wang eingesperrt sein?
Manu überlegte. Vor ihrem geistigen Auge entstand ein Bauplan der Tempelanlage, soweit sie sich von den Berichten der Wissenschaftler her daran erinnerte, und vom eigenen Erleben her. Im Grunde gab es nur zwei halbwegs logische Möglichkeiten, jemanden einzusperren.
Sie überquerte den hier schmalen Innenhof und drang in das eigentliche Gebäude ein. Hier drinnen war es angenehm kühl.
Eine Treppe führte nach unten. Dort waren kleine Kammern, in denen einst möglicherweise Priester oder ihre Diener gewohnt oder meditiert hatten. Der schmale Gang führte wohl einmal um den Tempel herum und wies mehrere Knicke auf.
Wer klug war, brachte seinen Gefangenen hier unter.
Manu ging ein paar Schritte auf den ersten Knick zu. Wenn dahinter ein Marmorwächter stand…
Sie versuchte kein Geräusch zu verursachen, aber mit den Stiefeln klappte das nicht. Sie knallten zwar leise, aber immerhin für gute Ohren noch zu vernehmen, so sehr Manu auch versuchte, leise aufzutreten. Entschlossen zog sie die Dinger aus und nahm sie in die Hand. So pirschte sie sich an die Kante und spähte vorsichtig herum.
Da war ein Steinwächter.
Sie zuckte zurück. Irgendwie mußte sie ihn ausschalten. Aber wie?
Ein waghalsiger Plan durchzuckte sie. Sie schleuderte einen ihrer Stiefel in den Gang, setzte vorsichtshalber die Flasche ab und lief los, zurück zur Treppe. Augenbicke später hackte der Steinmann bereits um die Ecke und setzte Manu nach. Sie
Weitere Kostenlose Bücher